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Ralf Sotscheck Wenn der Pudding brennt

Es ist gleich Weihnachten, ob man will oder nicht. In Irland weisen die Festtage ein paar Besonderheiten auf. Eine davon ist Rosenkohl, der zum Truthahn serviert wird. Schon der Name ist irreführend. Eine Rose ist anmutig und duftet angenehm. Rosenkohl ist hässlich und stinkt.

Dabei gibt es so viele Pflanzen, die bedroht oder bereits ausgestorben sind. Der Bodensee-Steinbrech ist zuletzt in den sechziger Jahren gesichtet worden, und auch den rundblättrigen Schokoladen-Kosmee und die verarmte Segge gibt es bald nicht mehr. Nur der Rosenkohl ist unverwüstlich.

Ein anderes Gewächs, das zur irischen Weihnacht gehört, ist die Stechpalme als Symbol für Christus und sein ewiges Leben. Der Weihnachts-Miesepeter Patrick Freyne von der Irish Times fasst das Gewächs so zusammen: „Die Stechpalme ist eine stachelige Pflanze, die in den Händen weh tut und deren Beeren für schlaffe Kinder giftig sind; wenn Sie das Leben hassen, werden Sie die Stechpalme tolerieren!“ Wer immer es geschafft hat, das Grünzeug als unverzichtbaren Bestandteil von Weihnachten zu etablieren, sollte von der SPD für die Wahlkampagne angeheuert werden.

Ein neuer törichter, aber für die Erfinder lukrativer irischer Brauch ist die Elfe im Regal. Sie kostet mehr als 20 Euro, und da sie nicht gerne alleine ist, sind die Eltern von Kleinkindern schnell 40 Euro los. Die Aufgabe der Elfen besteht darin, die Kinder tagsüber genau zu beobachten. Nachts fliegen sie zum Nordpol, um dem Weihnachtsmann zu berichten, ob die Kinder brav gewesen sind. Damit die Sache halbwegs glaubwürdig ist, müssen die geschröpften Eltern die Elfen jede Nacht bewegen.

Die früheste Erwähnung des christlichen Weihnachtsfestes in Irland stammt aus dem Jahr 1171, als der exkommunizierte König Heinrich II. Weihnachten in Dublin feierte. Damals glaubten die Leute, dass man am Heiligabend um Mitternacht Esel hören konnte, die in menschlicher Sprache Andachten hielten. Das ist auch heute noch so. Allerdings sind die Esel in diesem Falle die Polizisten, die diejenigen, die volltrunken auf die Straße kotzen, saftige Standpauken halten.

Der Weihnachtspudding soll die Iren laut Freyne inmitten des saisonalen Überflusses daran erinnern, dass sie einst in Knappheit lebten, in der herbstliche Überschüsse mit Alkohol konserviert und zu einem Schlammhaufen verarbeitet werden mussten. Daran werden sie aber nicht gern erinnert, und so zünden sie rituell den Weihnachtspudding an.

Früher war mehr Lametta, wusste schon Loriots Opa Hoppenstedt. Heute ist es Usus, dafür zu sorgen, dass kein Nachbar Schlaf findet, weil man ein grelles Panoptikum mit Elfen, Rentieren und dem Weihnachtsmann im Garten aufgestellt hat, das vom Weltraum aus zu sehen ist. In diesem Sinne: Nollaig shona daoibh – Ihnen allen ein fröhliches Weihnachtsfest.

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