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Ralf Sotscheck über die Parteiaustritte von Labour-AbgeordnetenVorgeschobene Begründungen

Von einer Spaltung kann keine Rede sein. Zwar sind in der vergangenen Woche sieben Abgeordnete aus der britischen Labour Party ausgetreten, am Wochenende kamen noch zwei dazu. Sie werfen ihrer ehemaligen Partei Antisemitismus, Rassismus und Versagen beim Brexit vor. Die Begründungen sind allerdings vorgeschoben. Die Abtrünnigen standen allesamt vor dem Ende ihrer politischen Karrieren, sie wären bei den nächsten Wahlen nicht mehr aufgestellt worden, einige haben bereits ein Misstrauensvotum in ihren Wahlkreisen verloren.

Natürlich muss Labour mehr gegen Antisemitismus in den eigenen Reihen tun. Die Umsetzung dessen, was die von Parteichef Jeremy Corbyn eingeleitete Chakrabarti-Untersuchungskommission empfohlen hat, kommt nur langsam in Gang. Aber Corbyn selbst Antisemitismus vorzuwerfen, ist absurd, es sei denn, man definiert Kritik an Israels Politik per se als Antisemitismus.

Mit der zur Schau gestellten moralischen Überlegenheit der Abtrünnigen ist es nicht weit her. Einige waren in Spesenskandale verwickelt, andere fordern die Streichung von Sozialleistungen, Gesundheitsversorgung sowie von Arbeitsplätzen für Immigranten, eine sprach von „Schwarzen und Leuten mit komischer Hautfarbe“.

Was den Brexit betrifft, so fordert Labour einen Verbleib des Vereinigten Königreichs in der Zollunion. Ein zweites Referendum, das die Dissidenten wollen, ist keine Lösung, selbst wenn der Brexit rückgängig gemacht würde. Die Spaltung des Landes und der Parteien würde sich dadurch verschärfen.

Das Ganze erinnert an 1981. Damals verließen vier Labour-Abgeordnete die Partei und gründeten die Sozialdemokratische Partei SDP, weil ihnen Labour zu links war. Sieben Jahre später fusionierte man mit den Liberalen. Und da sind auch die jetzigen Dissidenten politisch zu verorten.

Dabei sind sie mit Corbyns Wahlprogramm nicht nur gewählt worden, sondern haben allesamt ihren Stimmanteil bei den Wahlen 2017 erhöht. Wenn sie mit diesem Programm nicht mehr einverstanden sind, wäre es ehrlicher gewesen, die Sitze aufzugeben und sich Nachwahlen zu stellen. Aber sie bleiben lieber im Unterhaus, weil sie Corbyn als Premierminister verhindern wollen. Nur darum geht es ihnen.

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