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Räumungen in PekingKünstlerprotest gegen Schlägertrupps

Ein Künstlerdorf in Peking soll verschwinden. Es ist dem Bau einer Vorstadtsiedlung im Weg. Schläger sollten Maler und Bildhauer einschüchtern. Doch die wehren sich.

Wo die Studenten 1989 demokratische Reformen verlangten, protestierten jetzt Künstler gegen die Vernichtung ihrer Ateliers: Straße des Ewigen Friedens in Peking. Bild: dpa

Sein verbundener Schädel brummt, Schulter und Arm tun ihm weh, er hinkt. Aber mehr als die Schmerzen plagt den Pekinger Maler Liu Yi der Zorn über die Kaltblütigkeit seiner Angreifer: "Hier herrscht ein mafiöses System", sagt der 46-Jährige, "es ist unfair, das muss sich ändern."

Vor zwei Tagen hatte ein Trupp von maskierten Männern nachts auf Liu und seine Künstlerkollegen eingeschlagen. Während die Überfallenen sich zu wehren versuchten, drückten Bulldozer und Bagger Fensterscheiben und Wände ein. "Sie kümmerten sich nicht darum, ob noch Menschen oder Kunstwerke drinsteckten", sagt Liu, dessen moderne Tuschemalereien im traditionellen chinesischen Stil auf vielen Ausstellungen zu sehen sind. "Das war ihnen egal."

Der Überfall auf das Künstlerdorf Zheng Yang im Nordosten von Chinas Hauptstadt ist der jüngste Streich im Streit um Landbesitz und Zerstörung, der an allen Ecken Chinas aufflammt. Er ist die Kehrseite des Fortschritts. Und er ist Folge der Profitgier von Funktionären im Bund mit Immobilienhaien und der Rechtlosigkeit der Bürger.

In einem unterscheidet sich dieser Konflikt von den anderen: Die rund vierzig Familien aus der Künstlerkolonie Zheng Yang und ihre Freunde organisierten am Montag einen Protestzug im Herzen Pekings: auf der Straße des Ewigen Friedens, wo 1989 Studenten demokratische Reformen verlangt hatten.

Mit Transparenten, auf denen sie "Bürgerrechte" und "Nieder mit den brutalen Schlägern" gepinselt hatten, marschierten rund zwei dutzend Maler und Bildhauer Richtung Tiananmen-Platz. Maler Liu war im Rollstuhl dabei. Die Polizei stoppte den Protestzug und schickte die Demonstranten nach Hause.

Dort, auf dem Gelände des Künstlerdorfs, harren die Bewohner und einige Sympathisanten nun aus: Sie haben Doppelstockbetten mit Steppdecken wie eine Wagenburg um ein Feuer gerückt. In einigen Dutzend Metern Abstand warten Polizeiautos, ein Fahrzeug mit Kamera rollt über das Areal. Aus roten Backsteinen haben die Bewohner ironisch die alte Parole der Kommunistischen Partei zusammengesetzt: "Dem Volke dienen".

Aber wer steckt hinter dem Überfall? Für die Künstler ist die Antwort klar: Es sind Schläger, die von der Baufirma oder der lokalen Regierung gedungen wurden, die hier eine neue Vorstadtsiedlung plant. Die Männer kamen auf Lastwagen und gingen systematisch vor: Sie stahlen den Bewohnern Handys und Kameras und schlugen mit Knüppeln auf sie ein. Das Ziel: Den Widerstand der Künstler zu brechen, die auf das Recht pochen, in ihren Ateliers zu bleiben, in die sie viel Geld investiert haben: "Ich habe einen Mietvertrag, der noch 28 Jahre gültig ist", sagt Künstler Liu Yi. Er weiß, das Dokument ist das Papier nicht wert, auf dem es geschrieben steht.

Liu und seine Kollegen werden vermutlich eine Entschädigung erhalten - wenn auch nicht so hoch, wie sie es sich wünschen. "Wir sind Künstler und deswegen prominent, wir können die Öffentlichkeit alarmieren", sagt er. "Aber den einfachen Leuten, denen es jeden Tag so geht wie uns, hilft niemand."

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