piwik no script img

Radwechsel etc.Eine Direktorin wie Eva

■ Eva Mattes soll das angeschlagene Fünfergremium am Berliner Ensemble retten

Ich erinnere mich an eine Szene: Mit offenen Haaren und etwas plumper Figur stand sie nackt da, beileibe keine Schönheit, sondern hilflos und doch ungemein provozierend. Das war 1972, als Beppi in Kroetzens „Stallerhof“. Eva Mattes wurde anschließend ans Hamburger Schauspielhaus engagiert und war dort jahrelang eine der Protagonistinnen in Peter Zadeks theatralischen Erkundungen von Shakespeare bis Hopkins. Jetzt soll die noch nicht ganz Vierzigjährige Theaterdirektorin am Berliner Ensemble werden: als erste Frau unter fünf Männern.

Noch steht der formelle Beschluß der Gesellschafter aus, und auch der Berliner Kultursenator muß diesem Vorschlag zustimmen. Vor zwei Jahren hatte das alte Brecht-Theater am Schiffbauerdamm eine neue (fünfköpfige!) Leitung erhalten: die Herren Zadek, Müller, Palitzsch, Langhoff und Marquardt. Matthias Langhoff stieg schon nach kürzester Zeit wieder aus, und seither sind der totale Krach untereinander/ der vornehme Rückzug voreinander/ das baldige Ende von dat Janze anregender Gesprächsstoff an insgesamt recht selten gelungenen Premierenabenden. Heiner Müller montierte müde (und das Publikum außen vor lassend) Versatzstücke aus alten Texten zusammen, und auch Peter Zadek frönte der Publikumsverweigerung und Kritikerbeschimpfung, indem er Brechts „Der Jasager und der Neinsager“ als Schülertheater abspulen ließ. Besetzt übrigens mit hervorragenden Schauspielern, die man alle gerne mal wieder so richtig spielen sehen würde. Unter ihnen: Eva Mattes.

Man war also geneigt, dieser verstrittenen, aber kostspieligen Runde (vier Direktorengehälter an einem Theater in einer Stadt, die bereits zwei städtische Theater abgewickelt hat) kein weiteres Jahr mehr zu geben. Nun soll die Mattes fünfte Direktorin und Gesellschafterin der Theater-GmbH werden und als „künstlerische Direktorin ein wichtiger Pol vor allem bei künstlerischen Entscheidungen“ sein (hat Herr Sauerbaum gesagt, der Geschäftsführer des stark imageramponierten Hauses, dessen Pressesprecher in seltsam rascher Reihenfolge gewechselt haben).

Wofür sonst sollte eine künstlerische Direktorin berufen werden? Eva Mattes ist eine hervorragende Schauspielerin, aber Regie hat sie – außer in dem Film „Ein Mann wie Eva“, und das schrieb ihr die Rolle schließlich vor – noch nie geführt. Sie spielte im Theater außer bei Zadek viel bei Palitzsch, Minks und Heising, außerdem drehte sie Filme mit Fassbinder, Hauff, Herzog und Lilienthal.

Am Berliner Ensemble wirkt die Schauspielerin, die zugleich etwas Naiv-Gefühlvolles wie Bodenständiges hat, insbesondere in der starren Inszenierung Heiner Müllers ausgesprochen fehl am Platz. Sie kommt handwerklich aus einer ganz anderen Schule als die auf Rollendistanz geeichten Schauspieler des Brecht-Theaters: Peter Zadek wußte ihr Talent bislang immer sehr genau einzusetzen, und auch in dem sich blockierenden Führungsgremium hofft er wohl auf ihr gewinnendes Wesen, auf ihre Vermittlung.

Eva Mattes wäre also das fünfte Rad am Wagen. Es gibt ein Gedicht vom gar nicht so armen B.B., das „Radwechsel“ heißt. Nein, ich sehe ihm nicht mit Ungeduld zu. Wie wär's statt dessen mit einem Wechsel des ganzen Modells? Sabine Seifert

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen