Radsport im TV trotz Doping: "Wir dürfen nicht davonlaufen"

ARD und ZDF übertragen trotz andauernder Dopingskandale auch 2009 wieder die Tour de France - allerdings kürzer als sonst. Bei Vergehen wollen sie hart bleiben, recherchieren aber nur begrenzt.

Wurde 2008 positiv auf Doping getestet: Radprofi Stefan Schmumacher. Bild: ap

Neulich referierte Rudolf Scharping, einst Verteidigungsminister und heute Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR), an der Hamburger Uni über die "operative und kommunikative Skandalbewältigung nach den Dopingaffären im Radsport". Weil der SPD-Mann mit Verspätung vor das Auditorium trat, erklärte er sich: Ihn habe am Vorabend eine E-Mail erreicht, die ihn eine Weile beschäftigte. Den Inhalt des Schreibens jagten die Agenturen währenddessen per Eilmeldung über ihre Ticker: Radprofi Stefan Schumacher wurde per A-Probe erneut positiv auf eine illegale Leistungsmanipulation getestet.

Die Dopingaffären im Radsport sind eben noch nicht passé. ARD und ZDF werden vom 4. Juli an trotzdem die Tour de France übertragen. Die gebührenfinanzierten Sender haben sich per Vertrag mit dem Tour-Veranstalter ASO verpflichtet, das Spektakel bis 2011 zu zeigen. 20 Millionen Euro kostet das insgesamt.

Nun hatten die ARD-Intendanten im Oktober 2008 angesichts des noch immer evidenten Drogenmissbrauchs im Radsport entschieden, die Tour nicht mehr großflächig zu zeigen. Der sportliche Wert der Tour sei "erheblich reduziert", sagte der damalige ARD-Chef Fritz Raff. Das ZDF erklärte daraufhin, die Tour nicht alleine auf den Sender zu bringen. Da war der Vertrag aber schon bindend. Und so setzten sich zuletzt die Beteiligten oft zusammen, um über das Dilemma zu sprechen.

Das Ergebnis: Die ASO stimmte nach taz-Informationen einer Ausnahme zu. ARD und ZDF müssen in diesem Jahr nicht mehr wie vertraglich festgehalten das Minimum von einer Live-Strecke à einer Stunde pro Etappe erfüllen, die dann auch noch die letzten 30 Minuten vor der Zieleinfahrt einschließt. Die Sender dürfen das Soll um die Hälfte kürzen. Und so sind jetzt einstündige Tour-Sendungen vorgesehen, in der das Abstrampeln der Athleten nur gut eine halbe Stunde live zu sehen sein wird. Allerdings müssen ARD und ZDF voll zahlen. Und für 2010 und 2011 erwartet die ASO wieder eine volle Erfüllung des Ursprungsvertrags.

In der verbleibenden halben Sendestunde wollen sich ARD und ZDF an Einordnungen versuchen. Doping soll da eine große Rolle spielen, denn, wie ARD-Tourchef Roman Bonnaire der taz sagte: "Es gibt keine Ausstiegsszenarios." Die Sender hätten sich "die schärfsten und besten Kontrolleure mit den neuesten Methoden" zusichern lassen. Bonnaire: "Da kann ich mich nicht verabschieden, wenn diese Kontrolleure fündig werden." Die Sender müssten bei Dopingfunden "journalistisch herangehen und nicht davonlaufen".

Die ARD hat ihren freien Mitarbeiter Hans-Joachim Seppelt für die Tour gebucht, der seit gut drei Jahren als "ARD-Dopingexperte" firmiert. Er soll die erste Woche vor Ort sein, dann aber möglicherweise nach Wien (Blutbank) oder Madrid (Fuentes) düsen. Seltsam mutet an: Dopingredakteur Florian Bauer, der 2008 allein die Tour begleitete, soll lediglich "im Bedarfsfall aus Deutschland unterstützen", wie Bonnaire erklärte.

Wie die taz erfuhr, läuft da ein Tauschgeschäft: Seppelt, der sich zuletzt auf Leichtathletik und Wintersport spezialisiert hat, soll zur Tour und Bauer, der erst vergangene Woche für seine Recherchen im Dopingsumpf mit dem Axel-Springer-Preis ausgezeichnet wurde, darf in diesem Jahr im Gegenzug zur Leichtathletik-WM nach Berlin. Da drängt sich die Frage auf: Warum startet die ARD nicht mit doppelter Kraft, besetzt also gleich beide für die Tour?

In der ARD-Dopingredaktion will sich niemand offiziell äußern. Das ohnehin nicht immer einfache Verhältnis ihrer Redaktion mit der ARD-Welt würde dadurch "nicht ent-, sondern belastet und damit die Qualität unserer Arbeit gefährdet".

Scharping wiederum würde es sicher gefallen, wenn sich Kritiker nicht ausgiebig an den Dopingvergehen seines Sport festbeißen könnten. In Hamburg warnte er explizit mit Blick auf die Dopingredaktion der ARD vor einer "Veränderung der Wahrnehmung" bei Journalisten, die sich nur mit den dunklen Seiten der Szene beschäftigen. Andererseits reicht doch nur ein Blick in das E-Mail-Postfach des Radsportpräsidenten, um festzustellen, wie es um seine Klientel noch immer bestellt ist.

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