Radsport-WM: Nur bedingt gerichtsverwertbar

Die deutschen Profis feiern überraschende Erfolge bei der WM in Kopenhagen. An der Krise dieses Sports in Deutschland wird das nichts ändern.

Judith Arndt wurde Weltmeisterin. Bild: dpa

Einen Edelmetallschatz bringt der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) aus Kopenhagen zurück. Zwei Goldmedaillen im Zeitfahren der Männer und Frauen und je eine Bronzemedaille im Straßenrennen der Frauen und im Zeitfahren der Juniorinnen waren vor dem abschließenden Männerrennen am Sonntag die Bilanz.

Deutschland hat sich als Radsportnation behauptet. Allerdings nur für eine Woche. So schön die Ausbeute in Kopenhagen auch ist, Auswirkungen auf die Infrastruktur im sichtbarsten Teil des Radsports, dem Profibetrieb der Männer, wird sie nicht zeitigen. Es fehlt weiter an einem Pro-Tour-Rennstall, der das Interesse über die ganze Saison bündeln könnte.

"Ich bin da skeptisch", urteilt auch Hans-Michael Holczer. Der ehemalige Gerolsteiner-Boss, der ab der nächsten Saison als Manager die Geschicke des russischen Rennstalls Katusha steuern soll, hält es auf taz-Nachfrage noch immer für unwahrscheinlich, dass angesichts des Rufes, den der Radsport hat, "jemand das Geld in die Hand nimmt, um einen Rennstall aufzubauen".

Das ist eine paradoxe Situation. Denn anders als zu Beginn des aktuellen Zyklus, als die Gründer des Rennstalls Telekom Mühe hatten, ausreichend deutsche Fahrer zu rekrutieren und bei ihrer ersten Tourteilnahme gar nur mit einer Rumpftruppe zugelassen wurden, sind jetzt genügend starke deutsche Profis im Umlauf, um sogar zwei Teams bestücken zu können.

Das Ausmaß an guten Kräften zeigte sich auch bei der Formierung des WM-Teams. Für den Kurs durchaus geeignete Fahrer wie Wegmann und Ciolek, Burghardt und Martens wurden nicht berücksichtigt. Und dennoch war die Truppe mit einer Mischung aus Routine (Klier, Hondo), Stehvermögen (Knees, Sieberg), Super-Power (Martin, Grabsch), jugendlichem Elan (Kittel, Degenkolb) und Punch (Greipel) exzellent besetzt.

Rennen wie verwandelt

Selbst wenn man nicht vorbehaltlos in das Horn der "Antidopingsportart Radsport" stoßen will, das UCI-Boss Pat McQuaid in Kopenhagen bereit hielt, so lassen sich doch merkliche Verschiebungen beobachten. Zehn Jahre lang gesammelte Daten von Blut- und Urinproben weisen auf einen signifikanten Rückgang von Blutdoping hin.

Der individuelle Athletenpass der UCI ermöglicht Feinanalysen der Blutbilder, die zur direkten Verurteilung einiger Sünder und erfolgreichen Zielkontrollen bei weiteren Manipulatoren führten. Und die strafrechtliche Verfolgung - zuletzt ging die italienische Polizei Geldflüssen des Superpräparators Michele Ferrari nach - erhöht den Druck für Dopinghelfer.

Auch die Rennen sind wie verwandelt. Ein erwischter Sünder wie der Kasache Andrej Kascheschkin rieb sich bei seiner Rückkehr in den Profizirkus überrascht die Augen, welch neue Melodie jetzt spielt. "Du hast jetzt zwei Schuss frei", umschrieb er mit eigenwilliger Wortwahl die Tatsache, dass man jetzt mehrmals angreifen kann und nicht alle Kraft in den einen, tödlichen Antritt stecken muss, bevor einen die mit EPO gepuschte Konkurrenz dann doch wieder termingerecht einholte.

Hohe Gewinnspannen im Dopinghandel

Natürlich ist der Sumpf nicht komplett trockengelegt. Staatsanwaltschaften weltweit beschlagnahmen immer häufiger große Mengen Dopingmittel. Letizia Paoli, die Vorsitzende der Freiburger Untersuchungskommission, geht davon aus, dass sich wegen des Verfolgungsdrucks ein Teil des Dopingbusiness "von Sportärzten, die einen Ruf zu verlieren haben, hin zu den kriminellen Netzwerken des Drogenhandels verlagern wird". Die Gewinnspannen im Dopinghandel übertreffen die des Drogenhandels schon seit Längerem, hat der Münchner Staatsanwalt Kai Gräber festgestellt.

Und wenn in Kopenhagen die Antidopingbeauftragte der UCI, Francesca Rossi, mit der Ankündigung aufhorchen lässt: "Wir können jederzeit ein Verfahren eröffnen", so weist dies daraufhin, dass nur wenige der verdächtigen Werte als so gerichtsfest angesehen wird, dass die UCI den Weg der Anklage wählt.

Dennoch ist eine Verbesserung spürbar. Daher es ist paradox, dass sich gerade jetzt im selbst ernannten Saubermännerland Deutschland niemand findet, der an einen positiven Imagetransfer aus den Leistungen der deutschen Radprofis glauben mag. Vertrauen, so scheint es, ist ein so hohes Gut, dass es mit ein paar Sauberkeitsanstrengungen allein dann doch nicht wiederherstellbar ist.

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