Radprofis ohne Olympia: „Das kennt kein Sportler“
Bahnradfahrerin Emma Hinze wollte als Weltmeisterin zur Olympiade nach Tokio fahren. Nun muss sie weiter trainieren, vielleicht vier Jahre lang.
Es war Ende Februar. Und auch wenn bereits die ersten Ortschaften in der Lombardei wegen des grassierenden Coronavirus abgeriegelt waren, so galt Covid-19 in Berlin noch als chinesisches Problem. Die Bahnrad-WM im Berliner Velodrom jedenfalls ging ohne jede Einschränkung über die Bühne. Vor allem weil das chinesische Team die Wochen vor der WM in der Schweiz trainiert hatte, machte man sich keine größeren Sorgen.
Als dann auch noch die 22-jährige Emma Hinze zu drei Titeln gerast war, klatschten sich wildfremde Menschen auf den Tribünen ab. Bilder aus einer vergangenen Zeit.
Im Keirin, im Sprint und im Teamsprint mit den Kolleginnen Pauline Grabosch und Lea Sophie Friedrich gewann Emma Hinze Gold. Aus einer Spitzensprinterin war eine Favoritin auf mindestens einen Olympiasieg geworden. „Aufregend“ seien die Tage von Berlin gewesen. „Es war einfach total viel“, erinnert sie sich. Dass Publikum, die Stimmung, es sei einfach unglaublich gewesen. „Und dass das dann auch so gut geklappt hat, kann ich immer noch nicht so richtig fassen.“ Es war der optimale Rückenwind für die Olympischen Spiele im Sommer darauf. Ist der nun abgeflaut?
Die nächste WM ist erst im Oktober 2021. Wenn es also wirklich klappt mit den Spielen im nächsten Sommer, dann fahren die deutschen Sprinterinnen als Weltmeisterinnen nach Tokio. „Das kann dann schon noch beflügeln“, glaubt Emma Hinze.
2020 ist ein Olympiajahr. Doch die Spiele von Tokio sind pandemiebedingt ins nächste Jahr verschoben worden. Trainiert und gesportelt wird trotzdem auch in diesem Jahr. Es wird geschwommnen, gefochten, gelaufen, gerungen und gesprungen. Den besonderen Herausforderungen des olympischen Sports zu Coronazeiten widmet die Leibesübungen-Redaktion der taz einen Schwerpunkt.
Sie kann sich noch gut erinnern an das Gefühl der Leere, das in ihr aufstieg, als endlich feststand, dass die Spiele verschoben werden. Das große Ziel fehlte plötzlich. Am Olympiastützpunkt in Cottbus konnte sie zwar beinahe ohne Pause weitertrainieren, allein zunächst und unter besonderen Hygienebedingungen, wie sie sagt. Schwierig sei das gewesen. „Dass man nicht weiß, wie es letztlich ausgeht, das kennt kein Sportler.“
Erst Sportinternat, dann Olympiastützpunkt
Was blieb, war trainieren. Die Ziele musste sie sich selbst setzen, ob im Kraftraum, auf der Straße oder auf der Bahn. Und wenn wieder Nachrichten kommen darüber, dass es vielleicht doch nichts wird mit Olympia im nächsten Jahr, dann war es auch ihr Trainer Aleksander Harisanow, der sie immer wieder darauf hingewiesen hat, wie jung sie doch noch ist. Natürlich hofft sie, dass es klappt mit den Spielen 2021. „Wenn es nichts wird, dann versuchen wir es in vier Jahren einfach noch einmal.“
Sie und ihre Mitsprinterinnen, die 22 Jahre alte Pauline Grabosch und die 20-jährige Leo Sophie Friedrich, wissen, dass ältere Sportlerinnen das anders sehen müssen.
Wie es bei Olympischen Spiele zugeht, das weiß Emma Hinze schon. Als 18-Jährige war sie als Ersatzfahrerin bei den Bahnwettbewerben von Rio de Janeiro dabei. „Damals war es noch okay, den anderen nur zuzusehen“, erinnert sie sich. Sie selbst sei noch nicht reif gewesen damals. Aber spüren konnte sie schon, wie besonders Olympische Spiele sind, wie erst es zugeht in der Vorbereitung, wie nervös alle Beteiligten sind, Sportlerinnen, Trainer, Funktionäre.
Bis dahin hatte sie schon viel geopfert für den Radsport. Ist von Hildesheim ins Internat nach Kaiserslautern gegangen, nachdem ein Trainer von ihrer Sprintbegabung überzeugt war. Da war sie noch keine 16. Ob das schwer gewesen sei? „Für meine Eltern ist das alles sicher ein bisschen spontan gewesen“, erzählt sie. Ihr selbst habe das wenig ausgemacht. „Man wird ja auch selbstständiger, wenn man sich um alles selber kümmern muss“, sagt sie.
Emma Hinze
Bald darauf ist sie nach Cottbus gegangen, um sich am dortigen Olympiastützpunkt mit den besten Juniorinnen des Landes in Richtung Spitzensport aufzumachen. In Rio hat sie gespürt, was es braucht dafür. „Du kannst nicht einfach sagen, ich will bei Olympia starten. Du musst bereit sein.“
Das ist sie. Seit Emma Hinze in der Elite startet, holt sie Medaillen bei Welt- und Europameisterschaften und Weltcups. Zurzeit bleibt ihr das verwehrt. Im Ganzjahressport Bahnradfahren, in dem im Sommer wie im Winter um Punkte für die Rankings gefahren wird, ist die gegenwärtige Wettkampfpause besonders merkwürdig. Im September soll es eine deutsche Meisterschaft gebe. Es geht also wieder los. Emma Hinze kann wieder machen, was sie so gern tut: sich Ziele setzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
BSW-Anfrage zu Renten
16 Millionen Arbeitnehmern droht Rente unter 1.200 Euro
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“