■ Radiodays: Montag
Bevor wir die Programm- Bonbons der Moderne auswickeln, steht der Frischetest von ollen Kamellen an: Denn erst das gewissenhafte Probieren jahrhundertealter Vorurteile bringt die erschütternde Frage nach ihrer unverschimmelten Haltbarkeit an den Tag. Die Mär vom Finsteren Mittelalter(NDR4, 16.05 Uhr) etwa wurde von bebrillten Aufklärern des 18.Jahrhunderts zusammengebraut. Als unverdaulich erschien ihnen wohl die sprühend-erotische und vital-mystische Würze der von ihnen verteufelten Zeit.
Doch nun zum 20. Jahrhundert: Um 20.05 Uhr stellt der hr1 Robert Pingets Monsieur Traum vor. Die Ähnlichkeit zu Paul Valérys berühmtem „Monsieur Teste“ ist weder zufällig noch absolut entscheidend. Der jüngere Autor – ein führender Vertreter des nouveau roman – kommentiert hier seinen großen Vorgänger auf höchst spielerische Weise. Anstelle des zynischen Jedermann aus Valérys Feder treffen wir einen Pensionär, der sich die Langeweile mit Schreiben vertreibt. Seinen Stoff findet er im Schlaf: Er träumt sich ein Double und legt los.
Um 21.00 Uhr dann im RIAS die Vernissage der neuen Musik: Obwohl es mit der Besetzung – Meredith Monks „Facing North“ und „Vessel“ – gar nicht zeitgenössischer sein könnte, locken die stimmlichen Exkursionen dieser Sirene wieder in vorrationale Gefilde. Die Monk bringt archaische Sehnsuchtsschreie für zivilisierte Ohren.
Die Frage nach dem Geschlecht des Geistes(WDR3, 21.00 Uhr) hat Virginia Woolf klar mit „androgyn“ beantwortet. Doch müssen Antworten, scheint's, immer neu gefunden werden, damit es im Kulturbetrieb nie langweilig wird. GeHa
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