: Radikale Texte, schwungvolle Tänze
Sie kennen die Grenzen zwischen oben und unten, wegen eines Songs gegen die israelische Palästinapolitik wurde ihnen Antisemitismus vorgeworfen: „Ska-P“ sind Spaniens radikalste Skaband. Heute spielen sie in der Fabrik
Ihre Hymne auf Rayo Vallecano, den Underdog des spanischen Fußballs, hat Ska-P in Madrid bekannt gemacht. „Como un rayo“ – Wie ein Blitz – ist ihre Hommage an ihr Stadtviertel Vallecas und den dort verwurzelten Klub, das St. Pauli Spaniens. Der spielt ähnlich wie Pauli nicht mehr erstklassig. Erstklassig war hingegen der legendäre Arbeiterwalzer, „El Vals del Obrero“, den Ska-P ihrem Debüt folgen ließen. Arbeitersolidarität, Widerstand und Revolution sind die zentralen Botschaften dieses Stückes und der gleichnamigen LP, die in Spanien reißenden Absatz fand und Ska-P zu einem Megaakt gemacht haben. Konzerte vor mehreren tausend Fans sind die Regel für die 1994 gegründete Band, die auch in Frankreich und Italien eingeschlagen hat.
Ska mit einem kräftigen Schuss Punkrock und einer Prise Pachanga sind die wichtigsten musikalischen Zutaten. Ihre Texte sind hingegen picante: Respekt gegenüber dem politischen Establishment geht ihnen ab und die Herrschenden sind die erklärten Feinde der sechs bekennenden Arbeiter. Die Grenzen sind klar abgesteckt, sie verlaufen zwischen oben und unten. Einseitigkeit hat man der Position beziehenden Band immer wieder vorgeworfen. Und vor dem Konzert in Wiesbaden vergangene Woche Antisemitismus, weil sie in dem Stück „Intifada“ die Israelis und ihre Palästinapolitik heftig kritisieren.
Für Ska-P ist das Lied ein Stück, das nach Gerechtigkeit verlangt – Gerechtigkeit für das Volk Palästinas. Die Textzeile „die Opfer (des Holocaust) haben sich in die Henker verwandelt“ will Sänger Pulpul als Kritik an den israelischen Militärs verstanden wissen, „die die palästinensiche Bevölkerung foltert und tötet“, so die Stellungnahme der Band.
Die ist längst bei einem Major untergekommen. Für Fans wie Kritiker der Anfang vom Ende der Politcombo. Doch bis dato hat sich an den radikalen Texten und dem Sound von Ska-P trotz BMG-Vertrag nichts geändert. Gleichwohl müssen sich Leadsänger Pulpul und Co. die Kritik gefallen lassen, überhaupt unterschrieben zu haben und gutes Geld mit politischen Liedern zu machen. „Das System benutzen und so wesentlich mehr Menschen erreichen“, das ist der Ansatz der Band, den sie in mehreren Interviews mit anarchistischen Fanzines verteidigt hat.
Und den Bezug zur Realität haben die sechs Madrilenen gewiss nicht verloren. Joxemi, Gitarrist der Band, ist Postbote und beschäftigt sich mit dem spanischen Bürgerkrieg, während Sänger Pulpol Kampagnen gegen die Stierkämpfe organisiert und sich mit der Lobby der Torrerogilde herumschlägt. Diese Erfahrungen werden in den Texten der Band verarbeitet und wo die steht ist klar. Den spanischen Medien sind die sechs schon lange ein Dorn im Auge. Die beißende Kritik an den politischen wie ökonomischen Verhältnissen wird von vielen Sendern aus den Interviews herausgeschnitten. Der Popularität der Band tut dies keinen Abbruch. Knut Henkel
heute, 21 Uhr, Fabrik