piwik no script img

Radek Krolczyk Kunst am WegesrandBremens Zukunft ist längst vorbei

Foto: Hannah Wolf

An manchen Flughäfen stehen alte Flugzeuge herum: Zeppeline, Doppeldecker, Boings – dekorativ und unbeweglich. In Bremen ist das vollkommen anders, denn hier steht in einem Wasserbecken ein Modell für die mögliche Zukunft der Luftfahrt: ein mit Sonnenlicht betriebenes Raumschiff. Man erkennt es nicht auf den ersten Blick, aber doch erinnern die Flügel des Flugschiffes an die von Insekten. Obenauf sind Formen angebracht, die aussehen wie Fledermausohren.

Entworfen hat das Luftschiff der belgische Künstler Panamarenko. Seit den frühen 70er-Jahren ist er bekannt für seine wunderlichen Flugapparate. Der Name des Bremer Geräts ist „General Spinaxis“ – „Spin“ für Drehung und „Axis“ für Achse. Panamarenko, der sich als Physiker und Erfinder der Kunst widmet, verfolgt ganz eigene Theorien von Bewegung und Antrieb. Unter Wissenschaftlern vertritt er zwar eine Minderheitenposition, so wirklich absurd finden die Fachleute seine Ideen nun aber auch nicht.

Panamarenkos Idee des „Generals“ ist es, dass durch die Einstrahlung der Sonne auf die Aluminiumspiegel der Inhalt der Quecksilberröhren, die sich über den Flügeln befinden, erhitzt wird. Auf diese Weise soll Dampf entstehen, der das Raumschiff antreibt. Fliegen kann das Gerät natürlich nicht, denn es ist im Wasserbecken fest verankert. Allerdings wirkt es so, als würde es auf der Wasseroberfläche aufliegen und auch abheben können – wie manche Insekten. Es erinnert an eine Libelle, die nur knapp über der Wasseroberfläche zum Stehen kommt, bevor sie davonsaust.

Panamarenkos utopisches Fluggerät zeigt uns heute, dass Bremen seine Zukunft längst hinter sich hat. Denn heute, ganz anders als 1978, kauft Bremen keine Großplastiken international vielversprechender Künstler mehr (und selbst kleine Arbeiten lokaler Größen werden nur selten angekauft). Das hat nicht nur mit dem fehlenden Geld, sondern auch mit fehlender Haltung zu tun. Als Panamarenkos Werk für den Platz vor dem Flughafen in Auftrag gegebenen wurde, folgte die Politik klaren Paradigmen. In einer Bürgerschaftsvorlage vom April 1975 heißt es: „Vom Senator für das Bauwesen kam die Anregung, im Eingangsbereich des Bremer Flughafens eine Plastik zu erstellen. Sie könnte gegenüber den zweckrational gestalteten Gebäuden einen reizvollen optischen Kontrast bieten und für die einheimischen und fremden Besucher die Funktion eines Erkennungszeichens oder Identifikationsobjektes gewinnen. Die Arbeit sollte in ihrer symbolischen Aussage weder an die Dimension des Luftbrückendenkmals in Berlin anknüpfen noch das übliche Flughafenklischee vom Duft der großen weiten Welt bestätigen.“

Foto: Hannah Wolf

Es scheint eine erstaunlich reflektierte Debatte um ästhetische Fragen in der Bürgerschaft stattgefunden zu haben. Panamarenko war der Findungskommission bekannt und galt ihr als einziger Künstler, „der sich gegenwärtig für diese Aufgabe anbietet“. Was man wollte, war ein Werk, das auf die Offenheit der technischen Möglichkeiten verweist. Ein zeittypisches abstraktes Werk oder etwas symbolisch überladenes, wie die Darstellung eines fliegenden Adlers war keine Option. Seine Funktion als „Identifikationsobjekt“ hat Panamarenkos Luftschiff leider eingebüßt: Das erste, was man bei der Ankunft sieht, ist eine Bahnhaltestelle. Apropos Bahn: Zu Beginn des Jahrtausends übrigens stand das Luftschiff wenige Jahre vor dem Bremer Hauptbahnhof – wo es auf eine ganz andere Art mit seiner zukunftsweisenden Gestalt beeindrucken konnte.

Der Autor ist Betreiber der Galerie K’

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen