Rachel Dohme, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Hameln : Die Fortschrittliche
■ Sonderpädagogin und Vorsitzende der liberalen jüdischen Gemeinde Hameln.Foto: privat
Rachel Dohme hat es geschafft: Ihre liberale jüdische Gemeinde in Hameln bekommt eine eigene Synagoge. Die alte war in der Reichsprogromnacht niedergebrannt worden. „Meine Eltern wären bestimmt sehr stolz auf mich“, erzählt die gebürtige US-Amerikanerin. 1997, kurz vor dem Tod ihres Vaters, konnte Dohme den Eltern sagen, das ihre Enkel in einer jüdischen Gemeinde aufwachsen würden. Denn Rachel Dohme hatte gerade die jüdische Gemeinde in Hameln gegründet, die inzwischen 200 Mitglieder zählt. „Dabei gab es am Anfang nur mich und 18 russische Juden“, erinnert sie sich. Und schon das war ein Fortschritt: Als die US-Amerikanerin 1982 zu ihrem Ehemann nach Hameln zog, war sie ganz allein. „Es gab keine Juden weit und breit, da habe ich mir erstmal welche gemacht“, sagt Dohme und lacht. Drei Kinder hat sie und sie alle sollten mit dem Glauben aufwachsen. „Doch hier gab es nur orthodoxe Gemeinden.“ Ein Schock für die engagierte liberale Jüdin. Anders als bei den Liberalen sind nach dem orthodoxen Glauben Frauen nicht gleichberechtigt. In den Synagogen sitzen die Frauen von den Männern getrennt und dürfen sich nicht aktiv am Gottesdienst beteiligen.
Dennoch wagte sich Dohme in die orthodoxe Synagoge Hannover. „Der Rabbi sah mich an, sagte nichts, sondern zeigte nur mit dem Finger nach oben.“ Auf der ihr zugewiesenen Empore traf Dohme andere, unzufriedene Frauen – sie alle hatten es satt, ihren Glauben in der Synagoge nicht ausleben zu dürfen. 1995 gründete Dohme zusammen mit 80 Unterstützern deshalb die erste liberale Gemeinde in Niedersachsen. Der nächste Schritt war getan.
Heute gibt es sieben Gemeinden im Bundesland und einen eigenen liberalen Landesverband. Und die Hamelner Gemeinde wächst rasch: Tausende russische Juden sind seit dem Ende der Sowjetunion aus den GUS-Staaten nach Deutschland gekommen. Ihre Traditionen haben viele durch die Unterdrückung allerdings verloren. Mit Unterricht in jüdischer Religion und „viel Geduld“, sei es gelungen, das liberale Judentum in Hameln wieder zu etablieren.
STEFFI HENTSCHKE