RÜCKEN SCHROTT, NACKEN VERSPANNT, GRÄTEN KAPUTT – ALLES DIE SCHULD ERGONOMISCH UNAUSGEREIFTER GADGETS : Nachdenken auf der Physiotherapeutenliege
MEIKE LAAFF
Plimplim, Whitest Boy Alive klimpert im Hintergrund, und ich liege da, eine Fango-Packung auf dem Rücken. Allein mit den Gedanken, was zur Hölle mich bloß so ruiniert hat.
Ich bin inzwischen alt genug, um zu wissen, dass Leute im Alter meist nicht gerade cooler werden. Aber das hier, ein Termin, um warmen Schlamm in Beuteln auf den verkrachten Rücken geflatscht zu kriegen, das ist doch eher so Jenseits-der-vierzig-Kram. Ich hätte mir für dieses Jahr was Actiongeladeneres vorgestellt. Kitesurfen, Freeclimbing, so was. Wäre Ihnen das mal früher eingefallen, hat meine Ärztin sinngemäß gesagt. Und, dass ich derzeit über zwei Sorten Rückenmuskeln verfüge: die einen verspannt, die anderen nicht existent.
Und so landete ich hier. Ein Wrack, 20 Minuten lang voll auf Fango. Der therapeutische Wert besteht wahrscheinlich darin, dass man sich alle Vorwürfe, die aus dem Mund des Arztes so abgedroschen klingen, noch mal selbst macht. Mit dem Bedauern über all den Sport, den ich nie gemacht habe, bringe ich allerdings nur ein paar Minuten rum.
Interessant finde ich, wie viele Entlastungsoptionen mir alle anbieten, die den verkrachten Rücken jetzt flicken wollen. Sitzende Tätigkeit, ne? Viele Geräte zwingen einen ja auch in so verkrampfte Haltungen. Laptop auf dem Sofa. Handykralle.
Ich fummle mein Smartphone aus der Tasche. Wenn der nette Physiotherapeut das sehen würde, würde er es wahrscheinlich so schnell einkassieren wie das Personal einer Entzugsklinik einen Flachmann. Oder ist auch das Teil der Therapie – dass ich merke, wie lächerlich ich aussehe, auf dem Rücken fixiert, das Handy mit ausgestreckten Armen haltend, um „Haltungsschäden Smartphones“ zu googeln? Ich stoße auf Fantasiediagnosen: „Whatsappitis“ und „Handy-Nacken“. Höhö. Und auch hier wieder: Ich und all die anderen Leute mit kaputten Gräten sind am Ende auch nicht selbst schuld. Sondern Opfer ergonomisch unausgereifter Gadgets.
Wie viele Generationen es wohl dauern würde, bis wir wie wandelnde Fragezeichen physiologisch optimal auf Bildschirmgestarre eingestellt werden? So lange, bis Evolution uns einen Nacken wie ein Gorillapod beschert, einen Teleskoparm für Selfies oder ein drittes Auge am Haaransatz, damit wir endlich im Gehen texten können, ohne ständig gegen Poller zu rennen, werden wir nicht warten können. So schnell wie Technik sich derzeit entwickelt, ist eine Hirn-Schnittstelle zur Texteingabe ohnehin wahrscheinlicher.
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Wäre meine Krankenkasse clever, würde sie mir einfach Smartwatches und Datenbrillen andrehen. Damit textet und surft es sich viel aufrechter. Her damit, jault mein Rücken. Nur um vom Klugscheißer-Zentrum meines Hirns belehrt zu werden: Das spult sofort alle Bedenken ab, was für eine Gesundheitsdiktatur es wäre, wenn meine Kasse mich wie einen pawlowschen Hund zu permanenter Bewegung dressieren könnte.
Vor meiner Behandlungskammer knarzt der Holzboden. Ich lasse das Handy in die Tasche zurückgleiten. Was wehtut. Vielleicht sollte ich es mal mit Rückenschwimmen versuchen.