ROT-GRÜN WIRD DIE ABSCHAFFUNG DES STABILITÄTSPAKTES BALD BEREUEN : Deutsche Urängste
Selten hat eine Bundesregierung einer Opposition solch eine Steilvorlage geliefert wie Rot-Grün beim EU-Stabilitätspakt. Dankbar und mit religiöser Inbrunst griff die CDU-Vorsitzende Angela Merkel das Thema gestern in der Haushaltsdebatte auf: Schöder und Co. hätten sich am Erbe der D-Mark versündigt. CSU und FDP bliesen ins gleiche Horn. Dass die Rot-Grünen ihre Brüsseler Entscheidung bald verfluchen werden, ist so sicher wie das Amen in der Kirche.
Dazu müssen Merkel, Glos und Westerwelle mit ihren Kassandrarufen noch nicht einmal Recht behalten. Zurzeit spricht in der Tat nichts dafür, dass der Euro wegen ein paar Milliarden mehr Staatsverschuldung demnächst zur Weichwährung wird. Aber es sind auch nicht die Tatsachen, die in diesem Fall zählen, sondern Gefühle: Bei keinem anderen Thema reagieren die Deutschen so sensibel wie bei ihrem Geld. Allein die Diskussion um Währungsabwertung und Inflation genügt, um die große Angst zu verbreiten vor aufgefressenen Sparcents und schwindenem Geldwert im Urlaub. Es war der von Theo Waigel initiierte Stabilitätspakt, der die Deutschen mit dem Abschied von der D-Mark und der Einführung des Euro halbwegs versöhnte. Es wird deshalb die faktische Abschaffung des Stabilitätspakts sein, die neue Urängste entfacht. Und es ist jetzt schon klar, an welche Adresse die Proteste gehen werden: an Rot-Grün.
Denn natürlich wird die Opposition ihre nächste Chance, um das Thema voranzutreiben, nicht auslassen. Und das wird spätestens dann der Fall sein, wenn der lang ersehnte Aufschwung in Deutschland und Europa mehr als wie bisher nur eine Prognose ist. Dann aber wird auch die Inflation wieder steigen – zwar nur ein wenig, aber genug, um die Debatte neu anzufachen.
Die Bundesregierung hat sich mit der Aufweichung des Stabilitätspakts einen kurzfristigen Vorteil verschafft. Kanzler Schröder versprach den Deutschen gestern dafür im Gegenzug geringere Steuern. Es ist mehr als zweifelhaft, ob diese Rechnung aufgeht. Denn der Stabilitätspakt ist am Ende. Ob aber die vorgezogene Steuerreform wirklich kommt, liegt nicht im alleinigen Ermessen dieser Bundesregierung. KLAUS HILLENBRAND