ROBIN ALEXANDER über SCHICKSAL : Ich wasch mein Gesicht in der Bratpfanne
… und meiner Freundin platzt der Kopf und grüner Schleim spritzt heraus – denn zu Hause hören wir Country
Ein gut verkaufter Buchtitel der semipostfeministischen Billigratgeberliteratur lautet „Frauen sind von der Venus. Männer sind vom Mars“. Es gibt auch „Europäer sind von der Venus. Amerikaner sind vom Mars“. Wahrscheinlich ist in irgendeinem Verlag auch gerade ein Kochbuch mit dem Titel „Vegetarier sind von der Venus. Fleischesser vom Mars“ in Planung oder ein Leitfaden für den Bürofrieden: „Nichtraucher sind von der Venus. Raucher sind vom Mars“.
Gemeint ist damit immer das Gleiche: Zwei Parteien (Mann und Frau, USA und Europa, Vegetarier und Steakliebhaber) können sich nicht verstehen. Das ist aber gar nicht ihre Schuld, denn sie sind von Natur aus verschieden. So verschieden, als kämen sie von unterschiedlichen Planeten, nämlich – wer aufgepasst hat, kann jetzt schon mitsprechen – von der Venus und von dem Mars.
Das ist natürlich alles Quatsch. In Wirklichkeit sind Frauen vom Mars. Zumindest meine. Denn wenn meine Freundin Country-Musik hört, greift sie sich an beide Schläfen, ihr Kopf schwillt zu großen Beulen an und droht aufzuplatzen und grünen Schleim an die Wand zu spritzen. Und so etwas passiert bekanntlich Marsianern, wenn sie mit nordamerikanischer Countrymusik beschallt werden.
(Wer jetzt denkt, diese Kolumne ist auf LSD geschrieben, der hat eine Bildungslücke, bricht die Lektüre hier besser ab und besorgt sich aus der Videothek den Film „Mars Attacks“ von Tim Burton. Wir schreiben doch nicht für jeden hier! Ham Sie überhaupt Abitur?)
Kenner wundern sich nicht über die Marsianer oder den Schleim oder die Freundin, sondern über die Country-Musik. Wieso Country-Musik? Country-Musik geht doch gar nicht.
Selbst bei den entschlossensten Weltmusik-Radiosendern, bei denen noch die allerletzte südsamoanische Ethnie auf die Playlist kommt, fehlt Country-Musik. Denn Country spielen und hören zwar auch Eingeborene, aber diese Eingeborenen sind weiß, wählen George W. Bush und haben früher die Indianer umgebracht. Deshalb war Country-Musik im alternativen Milieu lange ungefähr so populär wie das Horst-Wessel-Lied. Dass sich das geändert hat – zumindest bei uns zu Hause – ist das Verdienst von zwei Männern, von:
1. Johnny Cash.
2. Meinem Schwager.
Johnny Cash hat das Eis gebrochen: Weil er sich bei seinen letzten Platten ganz in Schwarz fotografieren ließ, gab es zu seinem Tod Feuilletonberichterstattung und seitdem Kleinkunstabende zu seinem Gedächtnis. Wer Johnny Cash hört, setzt sich nicht mehr dem Verdacht aus, Faschist oder Trucker zu sein.
Mein Schwager, der neben einer bürgerlichen Tarnexistenz in Wanne-Eickel seit Jahren heimlich Country hört und verbreitet, hat das genutzt und mir eine CD geschickt. Die läuft seit ungefähr einem Jahr bei uns.
Täglich.
Und meine Freundin wird darüber langsam wahnsinnig.
Am Anfang hat sie noch gelacht, dann steigerten sich Zornausbrüche zu hysterischen Reaktionen. An der Schwelle zur ernsten häuslichen Gewalt hielt sie inne, um mit mir ein klärendes Gespräch zu führen. Sie wisse, wie schwer es Alleinerziehende haben, aber sie könne auf Dauer nicht mit jemandem eine Wohnung teilen, dessen Lebensgefühl von folgenden Refrain ausgedrückt werden:
„Ich bin ein einfacher amerikanischer Mann / In einem einfachen amerikanischen Land / Ich wasch mein Gesicht in der Bratpfanne / Ich bin ein amerikanischer Mann“ (Tom Russell: „Patrick Russell“).
Ob ich dazu etwas zu sagen hätte? Zu sagen? Nein, zu singen: „Wenn du ihn liebst, wirst du ihm vergeben / Auch wenn er schwer zu verstehen ist / Und wenn du ihn liebst, sei stolz auf ihn / denn er ist nur ein Mann: Bleib bei deinem Mann!“ (Tammy Wynette: „Stand By Your Man“)
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