ROBERT MISIK ÜBER OBAMAS NOBELPREIS-REDE ZUM „GERECHTEN KRIEG“ : Weiter denken, Mister President
Bei der Entgegennahme des Friedensnobelpreises den Krieg zu verteidigen – das ist vielen aufgestoßen an Barack Obamas Osloer Rede. Eine ärgerliche Ansprache sei das gewesen, war etwa zu lesen. Man kann das so sehen. Aber es wäre auch bizarr gewesen, hätte der Präsident einer Weltmacht, die in zwei Kriegen steht, den Gandhi gegeben. Obama hat keine Sonntagspredigt gehalten, sondern er hat versucht, seine rhetorischen Gaben einzusetzen, um Problematiken zu verdeutlichen.
Nur ist ihm das schon mal besser gelungen. Dass man sich in der realen Welt gelegentlich mit waffenstarrenden Böslingen konfrontiert sieht, denen man mit Pazifismus nicht beikommt, ist ja keine große Neuigkeit. Man muss Menschenrechtsverletzern im Notfall mit militärischer Gewalt in den Arm fallen. Und die Entscheidung ist in aller Regel – wenn die Dinge nicht so klar liegen wie bei, sagen wir, Hitler – eine komplizierte Abwägungsfrage.
Wäre die Intervention im Kosovo vermeidbar gewesen? Hätte der Westen dagegen in Ruanda intervenieren sollen? Sollte man aus Afghanistan abziehen, ohne Rücksicht darauf, was dann dort passiert? Man muss schon sehr simplen Gemüts sein, um zu glauben, dass es hier einfache Antworten gibt. Interessant ist die Frage, ob nicht allein schon die Auffassung, „im Notfall“ seine Kriege zulässig, bewaffnete Konflikte nicht nur wahrscheinlicher macht – und diplomatische Lösungen erschwert. Ob darum nicht auch ein „liberaler“ Menschenrechtsbellizismus, ohne es zu wollen, die Welt unsicherer macht.
Die Formel vom „gerechten Krieg“ verwischt, dass man hier immer zwischen zwei Übeln zu wählen hat. Das kleinere Übel wird nicht „gerecht“ durch den Umstand, dass es eben das kleinere ist. In dieses Selbstgespräch hat Obama sich in Oslo nicht verwickelt. Deswegen war es auch keine große Rede. Aber ärgerlich? Na ja.