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RIAS-TV jetzt bundesweit

■ Bis 7. Dezember übernehmen ARD und ZDF das Frühstücksfernsehen aus Berlin

Berlin (dpa) — Seit dem Tag der deutschen Einheit flimmert das Frühstücksfernsehen von RIAS-TV bundesweit über die Bildschirme. Von sechs Uhr morgens an erhalten Frühaufsteher drei Stunden lang ein abwechslungsreiches Informationsprogramm. Zweimal in der Stunde werden Nachrichten geboten, Wetterinformationen und Verkehrshinweise sowie ein Blick in die Morgenpresse vervollständigen das Angebot. Feste Programmpunkte sind Live-Schaltungen zu den Korrespondenten in Bonn und Washington. Kurze Gespräche mit Studiogästen und gut gemachte Kurzberichte sowie Features zu aktuellen Themen machen die journalistische Qualität des Programms aus.

Die bundesweite Ausstrahlung wird von ARD und ZDF, die das RIAS-Programm vor ihr gemeinsames Vormittagsprogramm geschaltet haben, ausdrücklich als ein Versuch definiert. Damit wird eine außerordentlich komplizierte Rechtslage umgangen. Der nach dem Zweiten Weltkrieg als Sender der amerikanischen Besatzungsmacht in Berlin gegründete RIAS (Rundfunk Im Amerikanischen Sektor) bezieht bis heute 90 Prozent seiner Einnahmen aus dem Bundesetat des Ministeriums für innerdeutsche Beziehungen in Bonn. Für das Haushaltsjahr 1990 waren 85 Millionen für die beiden Hörfunkprogramme und 80 Millionen für RIAS-TV vorgesehen.

Der Berliner 'Tagesspiegel‘ klagte jetzt vor dem Oberverwaltungsgericht Köln gegen diese Zahlungen aus dem Bundeshaushalt mit dem Ziel, sie für rechtswidrig und unzulässig erklären zu lassen. In erster Instanz wurde die Klage abgewiesen. Hintergrund des Rechtsstreits ist ein Schreiben des früheren Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen an Bundeskanzler Helmut Kohl, in dem dieser 1985 die Gründung von RIAS-TV befürwortete, weil der Sender wegen seiner „einmaligen Rechtskonstruktion ... beachtliche Einflußmöglichkeiten der Bundesregierung“ biete.

Am 22. August 1988 begann RIAS-TV im Berliner Kommunikationszentrum in dem früheren AEG- Gebäude in Wedding zu senden. Vom Berliner Kabelrat wurde eine terrestrische Frequenz auf dem Mischkanal 25 zugewiesen, wo RIAS — eingerahmt von dem Privatsender Sat.1 — sein Frühstücksfernsehen und ein Nachrichtenmagazin am Nachmittag abstrahlte. 210 festangestellte MitarbeiterInnen produzieren seither wöchentlich 30 Stunden Programm. RIAS-TV erreicht im Berliner Sendegebiet etwa sechs Millionen Menschen. Allein im Ostteil Berlins erzielte der Sender einen Zuschauerstamm von 29 Prozent. Insgesamt sehen bis zu einer Million Menschen in Berlin und dem Umland das Frühstücksfernsehen.

Zu Jahresbeginn wurde schon einmal eine bundesweite Ausstrahlung von RIAS-TV diskutiert. Damals jedoch stieß dieser Vorschlag auf Kritik des Berliner Senats, der die Finanzierung und auch eine mangelnde gesellschaftliche Kontrolle des Senders als verfassungsrechtlich bedenklich bezeichnete. Intendant Helmut Drück reagierte daraufhin mit dem Vorschlag, RIAS-TV als „Fenster“ von ARD und ZDF bundesweit auszustrahlen. Die beiden öffentlich-rechtlichen Anstalten folgten der Idee, sind doch beide an der Übernahme des „kleinen, aber feinen Senders“, wie ihn Drück bezeichnete, interessiert.

Der ZDF-Fernsehrat billigte am 5. Oktober die Übernahme und ermächtigte Intendant Dieter Stolte, über eine Verlängerung des bis zum 7. Dezember geplanten Versuchs allein zu entscheiden. Die endgültige Entscheidung über die Beteiligung des ZDF an einem Frühstücksprogramm behält sich der Fernsehrat jedoch vor. Mit der versuchsweisen Ausstrahlung des Frühstücksfernsehen verabredeten ARD-Vorsitzender Hartwig Kelm, ZDF-Intendant Dieter Stolte, RIAS-Intendant Helmut Drück und WDR-Fernsehdirektor Günter Struve auch Untersuchungen zur Akzeptanz eines derartigen Programms. Hintergrund dieser Entscheidung sind die schlechten Erfahrungen, die die beiden Privatsender Sat.1 und RTLplus im Sommer 1987 beim Start ihrer Frühstücksfernsehen-Programme sammeln mußten.

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