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Archiv-Artikel

RENTE MIT 67: KEINE RÜCKSICHT AUF GERINGERE LEBENSERWARTUNG Den Jungen sterben die Armen weg

Klingt doch logisch: Weil die Lebenserwartung in Deutschland zunimmt, soll auch der Ruhestand später beginnen. Von 2012 bis 2029 soll das Rentenalter auf 67 Jahre steigen. Kann man dagegen sein? Gerade erst hat der 64-jährige Physik-Nobelpreisträger Theodor Hänsch durchgesetzt, dass er noch rund zehn Jahre im Staatsdienst forschen kann. Er sei jetzt auf der Höhe seiner Schaffenskraft, befand Hänsch. So dürften sich manche Fast-Ruheständler fühlen. Zwei weitere Arbeitsjahre können ein Geschenk sein.

Doch das gilt vor allem für die Mächtigen und Einkommensstarken. Die Privilegierten können sich sehr sicher sein, dass sie auch jenseits der 60 noch eine schöne Stelle bekleiden. Düster sieht es hingegen für die Niedrigqualifizierten aus. Sie werden auch 2029 im Alter oft arbeitslos sein. Bisher können sich viele Erwerbslose noch irgendwie zur Rente hangeln, ohne dass sie allzu große Abschläge akzeptieren müssten. Das ist vorbei, wenn das Rentenalter steigt. Dann bedeutet Arbeitslosigkeit für 60-Plusser, dass ihre Rente drastisch sinkt.

Noch perfider: Bei einer Rente ab 67 werden viele Arbeitnehmer ihren Ruhestand kaum noch erleben. Die Statistik über die Lebenserwartung täuscht, solange sie nur als Durchschnittswert erhoben wird. Tatsächlich stirbt das einkommensschwächste Viertel früher. Bei den Männern beträgt der Unterschied etwa zehn Jahre, bei den Frauen sind es fünf. Steigt das Rentenalter, werden die Armen noch weniger von den Beiträgen profitieren, die sie jahrzehntelang eingezahlt haben.

Offiziell gilt die Rentenversicherung als Generationenvertrag: Die Jungen unterstützen die Alten. Doch diese Sicht ist geschönt. Tatsächlich alimentieren die Jungen fast nur die Rentner der Mittel- und Oberschicht. Die Rentenversicherung ist insgeheim ein Mittel, um die Unterschichten auszuplündern. Kühl wird mit ihrem frühen Tod kalkuliert; erwünscht sind sie nur als Beitragszahler. Dieser Trend wird sich nun verstärken – ausgerechnet durch den SPD-Sozialminister Franz Müntefering, der stets den Anwalt der kleinen Leute gibt. ULRIKE HERRMANN