RENTE – INTERESSIERT MICH DAS? :
Pro
ULRIKE HERRMANN ist Wirtschaftskorrespondentin der taz
Schön blöd, wer sich nicht für seine Finanzen im Alter interessiert. Denn diese Ignoranz wird für die meisten richtig teuer. Nirgendwo versenken die Deutschen so viel Geld wie bei der privaten Altersvorsorge. Wenn ein Schrank oder ein Auto angeschafft werden soll, dann wird monatelang gegrübelt und der Katalog studiert. Aber sobald es um ihre finanzielle Zukunft geht, werden die Deutschen leichtsinnig. Da schmeißen sie Milliarden weg – und schließen eine Kapitallebensversicherung ab.
Wer diese Dummheit in Zahlen nachvollziehen will, muss nur Seite 444 des aktuellen Statistischen Jahrbuchs aufschlagen. Da steht’s: 2006 haben die Bundesbürger rund 74 Milliarden Euro an die Finanzkonzerne überwiesen, um ihre Lebensversicherungen zu bedienen. Dahinter verbirgt sich ein gigantisches Verlustgeschäft, denn mehr als die Hälfte aller Versicherten kündigt ihre Verträge vorzeitig. Außer Spesen ist dann nichts gewesen. Jedes normale Sparbuch hätte mehr Rendite gebracht.
Für die Finanzkonzerne ist diese kollektive Ignoranz außerordentlich profitabel, denn sie zweigen 30 bis 50 Prozent der Beiträge für Provisionen und Verwaltung ab. Rund 30 Milliarden Euro bleiben also bei den Versicherungen hängen – als Gebühr für eine Dienstleistung, die keiner braucht. Von diesem Wahnsinn ist fast jeder Haushalt befallen: Auf 82 Millionen Bundesbürger kommen etwa 95 Millionen Lebensversicherungen.
Manche sind immerhin so schlau – und dazu gehört offenbar auch mein Contra Georg Baltissen –, auf eine Lebensversicherung zu verzichten. Daraus folgt jedoch nicht, dass man auch die staatliche Rente verdammen sollte. Sie ist nämlich lukrativ. Heute 57-Jährige wie Georg können dort mit einer Rendite von rund 3 Prozent rechnen. Selbst für deutlich Jüngere lohnt es sich: 2040 dürfte die Rendite der staatlichen Rente immer noch bei 2,8 Prozent liegen – für Männer. Bei Frauen werden es sogar 3,3 Prozent sein, weil sie länger leben. Eine bessere Anlage gibt es nicht.
Contra
GEORG BALTISSEN ist Redakteur im Auslandsressort der taz
Diese Rentendebatte ist Terror hoch drei. Permanent wird einem Angst eingeimpft, im Alter arm und mittellos dazustehen. Wenn ich den Bedarf hochrechne, den Banken und Versicherungen angeben, um meinen Lebensstandard im Alter zu halten, dann liegt der glattweg höher als mein derzeitiges Einkommen. Das ist reinster Psychoterror.
Die Botschaft ist klar: Sie müssen was machen. Prompt setzt dieser Vorsorgeterror ein, der einem einredet, nur gut abgesichert käme man im Alter durchs Leben. Dann wird alles aufgefahren, vom Riestern übers Sparen bis zur Börsenspekulation.
Als Drittes stellt sich zwangsläufig bei einem selbst dieser Schlechte-Gewissen-Terror ein, dass man nicht genug mache und im Alter dem Staat auf der Tasche liege. Nur deshalb verschickt ja diese Bundesanstalt für irgendwas ihre furchtbaren potenziellen Rentenbescheide, die mir in meinem Falle völlig ungefragt mitteilen, dass ich mit 400 Euro Rente rechnen dürfe, wenn ich bis 65,5 weiterarbeite und einzahle wie bisher.
Ich weiß längst, dass es nicht reicht. Und die Kohle anderswo herkommen muss. Also basta! Schluss jetzt! Das interessiert mich nicht mehr. Ich will mein Leben nicht daran ausrichten, wie viel Rente ich am Ende kriege und was ich mir damit leisten kann oder nicht.
Deswegen habe ich meinen Riester-Vertrag wieder gekündigt, mich von der Börse zurückgezogen, und statt bei den Minizinsen zu sparen, habe ich mir einen VW Käfer Cabrio gekauft, mit dem ich wesentlich angenehmer durchs Leben fahre. Und das nicht nur im Sommer.
Gewiss, solange ich kann, werde ich arbeiten (wollen und müssen). Eine Erbschaft steht leider nicht ins Haus. Bei meiner Frau sieht es nicht anders aus.
Für mich gilt das Motto: Lebe so, als ob morgen dein letzter Tag wäre. Dann kannst du diesen Rententerror schlicht ignorieren. Ich hab’s probiert. Es geht. Und wenn am Ende alles verjubelt ist, dann gibt es eben die Sozialrente.