RALPH BOLLMANN POLITIK VON OBEN : Macht Guido bald den Oskar?
Er hat die Wahl gewonnen, er fühlt sich ideologisch im Recht. Trotzdem wird er von Kanzleramt und Medien gemobbt. Hatten wir das vor elf Jahren nicht schon mal?
An Warnungen hat es nie gefehlt. „Hüte dich vor den Iden des März“, soll ein römischer Wahrsager zu Caesar gesagt haben, kurz vor dessen Ermordung. „So kann man nicht regieren“, soll ein früherer Bundeskanzler zu seinem Parteichef Oskar Lafontaine gesagt haben, kurz vor dessen Rücktritt.
Jetzt befinden wir uns wieder in den Iden des März, und die Frage ist, was das für Guido Westerwelle bedeutet.
Der FDP-Vorsitzende ist längst in die Rolle geschlüpft, die Oskar Lafontaine nach dem rot-grünen Wahlsieg 1998 ausfüllte. Es gelingt ihm so perfekt, dass ich mich manchmal schon frage, ob er das absichtlich macht.
Mit einem bewusst zweigleisigen Wahlkampf verhalf er Schwarz-Gelb zur Mehrheit. Kanzlerin Angela Merkel warb um die politische Mitte wie einst Gerhard Schröder, Westerwelle appellierte an die Traditionsbataillone des eigenen Lagers wie einst Lafontaine.
Das Problem war damals wie heute, die widersprüchlichen Signale in Politik zu übersetzen. Erst kamen die Geschenke für die Linientreuen. Lafontaine durfte die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wieder einführen und den demografischen Faktor in der Rentenversicherung rückgängig machen. Westerwelle durfte ein bisschen die Steuern senken und die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Hotelbranche stärken.
In der Öffentlichkeit kam beides nicht gut an. Die Wähler und mehr noch die Journalisten hatten das Gefühl, man habe ihnen Pragmatismus versprochen und Ideologie gegeben. Außerdem war von Anfang klar, dass sich diese Politik nicht durchhalten ließ. Rot-Grün führte den demografischen Faktor unter anderem Namen wieder ein, auch Schwarz-Gelb wird die Steuern und Abgaben irgendwann wieder erhöhen müssen.
Das wissen die Machtpolitiker im Kanzleramt natürlich. Deshalb zögert Merkel heute so wenig wie einst Schröder, den Widersacher notfalls auch öffentlich zu desavouieren.
So weit habe ich das verstanden. Nicht verstanden habe ich, wie sich die Westerwelles und Lafontaines dieser Welt über diesen Umstand so sehr täuschen konnten. Haben Lafontaine und Westerwelle etwa geglaubt, aus lauter Dankbarkeit für den Wahlerfolg würden sich Kanzler oder Kanzlerin zur willfährigen Marionette machen? Dachten sie wirklich, Vollblutpolitiker wie Merkel oder Schröder würden an niedrigere Steuern oder höhere Renten wirklich glauben – bloß weil sie solchen Unsinn im Wahlprogramm mal unterschrieben haben?
Manche in der Union schätzen die Wahrscheinlichkeit auf ein Drittel, dass der FDP-Chef und Vizekanzler zumindest eines der Ämter vorzeitig aufgeben muss. Der Zwist zwischen Schröder und Lafontaine eskalierte nach der Hessenwahl. Diesmal ist die Testwahl erst in zwei Monaten. Mal sehen, ob Westerwelle in den Iden des Mai über den Gartenzaun winkt.
■ Der Autor leitet das Parlamentsbüro der taz Foto: Archiv