■ RAF-Gefangene trennen sich von der Kommandoebene: RAF-Gefangene Operation gelungen - Patient tot
Der Vorgang ist bestechend: Seit Jahren kämpfen die Illegalen der RAF für die Freilassung ihrer inhaftierten GesinnungsgenossInnen.Als letzte Aktion sprengten sie spektakulär den Knastneubau Weiterstadt, um den Druck für eine Freilassung zu erhöhen – doch wollen die Gefangenen von den Illegalen nun gar nichts mehr wissen, sie kündigen die Solidarität auf, sie entziehen der sogenannten Kommandoebene sogar das Mandat, künftige Aktionen mit ihnen in Zusammenhang zu bringen. Gewollt oder ungewollt ist die jetzige Entwicklung ein Ergebnis der halbherzig geführten Kinkel-Initiative, die darauf zielte, über den Weg einer vorzeitigen Hafentlassung einzelner RAF-Gefangener den Weg für ein politisches Ende des RAF-Terrorismus zu ebnen.
Etliche Politiker dürften jetzt der Versuchung erliegen, den gerade erklärten Bruch als Erfolg feiern zu wollen. Vordergründig scheint das auch berechtigt. Für wen sollen die Illegalen der RAF weitere Anschläge begehen, wenn sich die Gefangenen von der damit intendierten Absicht – ihre Freilassung – distanzieren? Kurzfristig darf also Entwarnung gegeben werden, ist mit Anschlägen kaum zu rechnen. Kurzfristig, mehr nicht.
Die Betreiber der Kinkel-Initiative hatten es in der Hand, den Weg für ein politisches Ende des RAF- Terrorismus zu eröffnen. Die „Zäsur“ nach über 20 Jahren bewaffneter Politik hatten Illegale und Gefangene ernsthaft als neues politisches Projekt betrieben und in diesem Zusammenhang erklärt, auf tödliche Anschläge verzichten zu wollen. Die „Perspektive Freiheit“ war Teil des Projektes, gekoppelt an die Frage, ob der Staat bereit sei, das „Ausmerzverhältnis“ gegenüber den Gefangenen aufzugeben. Statt die Chance zu ergreifen, ließ die Bundesanwaltschaft aber neue Verfahren gegen RAF-Gefangene einleiten, sollten die Kandidaten für eine vorzeitige Haftentlassung sich einer rituellen Gewaltverzichts-Erklärung unterwerfen – die Schießerei in Bad Kleinen und die damit aufgeflogene Fahndungsstrategie über den V-Mann Klaus Steinmetz gaben der Chance den Rest. Am Ende eröffnete sich einer Minderheit der Gefangenen die Perspektive einer Freilassung, die Mehrheit aber erwartet eine unbekannte Zahl weiterer Jahre in Haft.
Die Spaltung im Gefangenenkollektiv und der Bruch mit den Illegalen waren damit Folge der Kinkel-Initiative, sie werfen aber die Diskussion um Jahre zurück. Sichtbar etwa in der Aussage der Gefangenen Eva Haule, die nun wieder den bewaffneten Kampf „auch in dieser historischen Situation eine Option für die revolutionären Kräfte“ nennt. Der Halbherzigkeit der Kinkel-Initiative ist es mit zu verdanken, wenn der anachronistische bewaffnete Kampf – vielleicht nicht mehr unter dem Namen RAF – in die nächste Runde gehen sollte. Wolfgang Gast
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