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■ QuerspalteDas ist ein Mensch

S-Bahnhof Friedrichstraße, Dienstag abend, trostlos wie immer. Menschen, die nicht wissen, wohin sie sollen und wer sie braucht, klammern sich am einzigen fest, was Trost verspricht: den Bierflaschen. Punks lümmeln herum, betrinken sich lärmend und betteln. Ein ganz normaler Abend. Bis ein Mann, etwa 50 Jahre alt und mit einem durch Elend und Schnaps gezeichneten Gesicht, den Halt verliert und dann mit vollem Schwung zu Boden knallt. Aus dem rechten Ohr schießen Blutfontänen, der Mann versinkt in die Bewußtlosigkeit. Eine Sekunde wird es sehr still.

„Dem Typ muß man doch helfen. Hilfe!“ schreit dann einer der Jugendlichen mit schwarzumränderten Augen. Die Kollegen eilen hinterher. Sie knien um den Mann, dem das Blut wie ein Bach aus dem Ohr läuft. „Schädelbasisbruch“, sagt einer, „der ist alle“ ein anderer. Aber sie wollen helfen. Einer rennt zum Taxistand, über Funk wird der Notarzt gerufen. Ein anderer zieht seine Jacke aus, will sie dem Verletzten unter den Kopf schieben. „Nicht schütteln“, wird er ermahnt. Ein Dritter, höchstens 18 Jahre alt, findet Papiertaschentücher in seiner Hosentasche. „Ist schon gut“, sagt er immer wieder und versucht den Blutstrom mit dem Taschentuch zu stoppen. „Wir helfen dir, der Arzt kommt gleich“, wispert er dem Bewußtlosen zu. Er streichelt ihm die Hände.

Die schwarzen Sheriffs sind etwas weiter mit einer Ordnungswidrigkeit beschäftigt. „Das ist doch nur einer von den Sturzbesoffenen“, sagt die Verkäuferin aus dem Kiosk. Ein Passant ergänzt: „Wieder ein Penner weniger.“ Der Punk hebt den Kopf. „Das ist ein Mensch“, sagt er. Und die Stimmung kippt. „Warum kommt denn kein Arzt, soll ich telefonieren?“ fragt die Verkäuferin, und auch der Passant grabbelt nun nach einem Taschentuch. Anita Kugler

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