■ Querspalte: Zweierlei Drogen im Dienste
Wer in der Bundeswehr beim Kiffen erwischt wird, der darf, ja, der muß degradiert werden. So urteilt das Bundesverwaltungsgericht, es sorgt sich um die Moral der Truppe. Das Motiv mag so ehrenwert wie die Sorge berechtigt erscheinen. Doch leider, werte Richter: Es ist ein glattes Fehlurteil. Ein Blick in die Militärgeschichte hätte Ihnen den Irrtum erspart. Im Deutschland des ausgehenden 19. Jahrhunderts wurde Kokain als soldatenfreundliche Droge hoch geschätzt. Das bayerische Armeekorps experimentierte schon 1883 anläßlich eines Herbstmanövers mit dem Stoff cocainum muriaticum. Der Testlauf zeigte, daß dieser Truppenteil den mit Abstand niedrigsten Krankenstand der gesamten Division vorwies. Während des Ersten Weltkrieges griffen die frühen Kampfpiloten gern zur „Fliegerdroge“ Kokain. So auch der junge Pilot Hermann Göring, der später noch als Hitlers Reichsmarschall nicht nur der Fliegerei, sondern auch dem Stoff, aus dem die Heldenträume sind, treu ergeben blieb.
Streichholzschachtelgroß waren die Schachteln, die wenig später ungezählten Landsern im Zweiten Kriege als „Panzerschockolade“ mitgegeben wurden. Wirkstoff war das Aufputschmittel Pervitin. Die Namen wechselten, die Aufputschmittel blieben, beispielsweise die Dexedrine. US-Piloten nutzen den Stoff als Müdigkeitskiller bei langen Einsätzen. Der Fortschritt hat auch hier nicht halt gemacht: Der aufgeputschte Zustand wird – sollte der Pilot denn heil zurückkehren – mit dem Downer Seconal auskuriert.
Und Marihuana, liebes Gericht, das war doch im Vietnam-Krieg die beliebteste Droge der GIs. Zumindest solange, bis sie vom weitaus wirkungsvolleren Heroin (brown sugar) verdrängt wurde. Jeder Dritte verstand es am Ende, die Nadel zu handhaben. Auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs tat sich Gleiches: In Afghanistan wußte jeder zweite der eingesetzten Rotarmisten Drogen zu schätzen. Wertes Gericht: Drogen und Militär sind keineswegs ein Widerspruch, eher schon eine sinnvolle Ergänzung.
Wolfgang Gast
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