■ Querspalte: Hoch leben die Frauen!
Der typische Anti-Atomtest-Kämpfer auf Tahiti und vor Moruroa ist männlich, um die 40 Jahre, deutsch und von Beruf Journalist. Er hat sich an die Spitze der Widerstandsbewegung gestellt. Schwere Waffen hat er mitgebracht: Schußwaffen mit Weitwinkelobjektiv, Hellebarden mit großen Mikrofonen an der Spitze, die er herausfordernd über die Metallabsperrungen stößt, hinter denen sich der Feind – das tahitianische Wachpersonal – feige verschanzt hat. Bald wird er die Revolution ausrufen und die Macht ergreifen in Französisch-Polynesien. Er ist immer auf der Suche nach der exklusiven Story. Und wo es die nicht gibt, muß er sich eben eine basteln. Um so mehr, wenn sich das zufällig mit einem kleinen Badeaufenthalt an der strahlend türkisen Lagune von Rarotonga, einer der Cookinseln, verbinden läßt. Am Pool des dortigen Luxushotels läßt es sich viel angenehmer als in Bonn Wahlkampfreden von deutschen Politikern anhören – von der roten Heidi etwa und dem Hinterbänkler Reinhard Schulz, die die Speerspitze im internationalen Kampf gegen das Unrecht darstellen.
Alle zeigen sie Flagge, von der Frankfurter Blitz-Tip bis RTL, von Viva bis zur Hamburger Morgenpost. Bandenwerbung gibt es hier wie bei allen wichtigen Entscheidungskämpfen. An Futter für die Fernsehkameras herrscht kein Mangel: Journalist A filmt Journalist B beim Filmen, Journalist C filmt alle beide, der erzählt es Journalist D, der daraufhin das Geschehen als eine einzige perfide Medienschlacht entlarvt, die er selbst zutiefst verabscheut, versteht sich von selbst.
Bei einer Frauendemo in Papeete haben die Journalisten die Tahitianerinnen zahlenmäßig derart erdrückt, daß die Frauen nur noch dank eines Megaphons auf sich aufmerksam machen konnten. „Vivent les femmes“, hoch sollen sie leben, unsere Frauen, rief eine dünne Männerstimme hinter den Kamerareihen. Hoch lebe auch Greenpeace. Nicola Liebert, Papeete
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