■ Querspalte: Asterix, das Kapital und Grass
Irgendwo muß es gewaltige Bestände von Comicbüchern geben. Unsere Lehrer konfiszierten seinerzeit jedes Heft, dessen sie habhaft werden konnten. Vorwand für den kraft ihrer Autorität vorgenommenen Diebstahl war die angebliche Nichtsnutzigkeit derartiger Lektüre. Voll daneben. Jetzt kommt ein niederländischer Hochschulprofessor daher, Rene van Royen, und macht sich in einem Vorlesungszyklus an der Uni Amsterdam daran, dem juvenilen Auditorium und reiferen Gasthörern mit den „Asterix“-Comics die europäische Geschichte nahezubringen.
Da macht sich der Neid breit eingedenk gelangweilt abgesessener Schulstunden und mühsam durchgestandener Seminare. Dabei stehen einem die Vorteile der Idee des holländischen Historikers doch bildhaft vor Augen. Hätte man nicht anhand von Dagobert Ducks Finanzgebaren Wirtschaftspolitik und Geldmarkt glasklar darstellen können? Erlaubt nicht der ewige Widerstand des kleinen gallischen Dorfes gegen die römische Besetzung beamtenrechtlich unverfängliche Ausführungen über den antiimperialistischen Kampf?
Auch das aktuelle Geschehen spiegelt sich in den Comics wider. Erinnerte die einer gewissen geselligen Komponente nicht entbehrende Grass-Hatz nicht an den unterdrückten und geknebelten Künstler Troubadix? Muß man nicht hellhörig werden und Parallelen ziehen, wenn van Royen doziert: „Die Barden nahmen in der sozialen Hierarchie eine hohe Position ein. Troubadix dagegen bekommt dauernd eins drauf und steht nicht gerade in hohem Ansehen.“ Nehmen wir einen x-beliebigen Asterix-Band zur Hand und ersetzen wir „Barde“ durch „Schriftsteller“ und „Troubadix“ durch „Grass“ – was bekommen wir da? Eine halbwegs plausible Erklärung der jüngsten Kulturlandschaftsbeben. „Es steckt einfach so viel drin. In jedem einzelnen Bild“, sagt van Royen. Recht hat er. Möge am Comicwesen der Unterricht genesen. Bevor uns, womöglich im Zuge gallischer Atombombenversuche, der Himmel auf den Kopf fällt. Harald Keller
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