■ Querspalte: König wird eingeseift
Andere Länder, andere Sitten. Man kennt das ja.
Ein ganz besonders ziemlich sehr viel anderes Land auf dem weiten Weltenrund ist Tonga, jenes königbestückte 170teilige Inselpotpourri im Südpazifik.
TonganerInnen neigen im Innersten zum Ungewöhnlichen. Sie geben ihren Kindern Vornamen wie Olivetti, Gorbatschow, Protesta, Michael Jackson oder Henry Ford. Sie schmücken Gräber mit hunderten umgestülpter leerer Bierflaschen. Sie haben sich per Verfassung verpflichtet, sonntags arbeitsabstinent zu leben und nur den Herrn zu lobpreisen. Und sie halten sich den gewichtigen Operettenkönig Taufa'ahau Tupou IV, dessen zeitweilig viereinhalb Zentner einst nur auf der Flughafengepäckwaage austarierbar waren.
Jetzt erreicht uns aus Tonga die unfaßbare Meldung vom „Seifenopernskandal“. In den Lagern des größten Kaufhauses wurden megatonnenweise versteckte Seifen- und Waschpulvervorräte, Geschirrspülmittel und Zahnpasta in schwimmbadfüllenden Mengen entdeckt, so daß alle gut 100.000 EinwohnerInnen auf Jahrzehnte die Beißer schrubben könnten. Mißwirtschaft? Dummheit? Die Ermittlungen laufen. Die Kokosnuß rotiert. Und dort wie hier: Kopfschütteln. Warum dieses Horten? Die Kaufhausleitung schweigt. Wollen politisierte Massen Seine hochwohlleibliche Majestät einseifen? Waschzwang, Waschboykott? Taugt Zahnpasta als Massenvernichtungswaffe? Liegt es an den französischen Atomtests nebenan? Steckt die CIA dahinter? Clementine? Der Mossad? Der Persil-Mann? Gar eine Tonga-Tilly oder doch böse Nachbarmächte aus Samoa, Fiji?
Politisch hochkorrekt unterlassen wir jede Einmischung. Wir wissen nur: Tonga, das erste Land neben der Datumsgrenze, wo täglich neu der Tag weltpremierös beginnt, ist seiner Zeit immer schon voraus gewesen. Eines Tages werden wir die pazifische Seifenfrage begreifen, das Zahnpastamysterium deuten können.
Tonga kultiviert eben die Magie des Geheimnisvollen. Bernd Müllender
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