■ Querspalte: Eine Frage der Ehre
Jetzt ist es amtlich: Im Weichbild von Kasernen sollte man seine Kinder an die Leine nehmen, die Autofenster hochkurbeln und Regenschirme aufspannen. – Soldaten sind Mörder. „Man muß kein Verfechter einer freischwebenden ,Soldatenehre‘ sein, um die Konsequenzen dieses Richterspruchs bedenklich zu finden“, meint die Berliner Zeitung. Welch gelinder Kommentar zu diesem hanebüchenen Urteil, nachdem „die Kränkung von Bundeswehrangehörigen nach wie vor strafbar“ (taz) ist. Ein Beispiel: Jemand findet seine Gattin mit einem Soldaten beim Stellungswechsel vor. Jetzt liegt es nahe, den Bundeswehrangehörigen nachhaltig zu kränken, bevor dieser Reißaus nehmen beziehungsweise nachladen kann. Sollte der Gehörnte jetzt also mit donnernder Stimme in sein schwülwarmes Schlafzimmer hineinrufen: „Soldaten sind Mörder!“?
Nein. Erstens ist der betrogene Hausherr zwar ein gelackmeierter Trottel, aber kein Blödmann beziehungsweise gar Soldat. Zweitens hat der Bundeswehrangehörige die Freundin ja noch gar nicht ermordet, wenngleich der Hahnrei nach Lage der Dinge (i.e. der Beine) kaum noch etwas dagegen einzuwenden hätte. Denn „Soldaten der Bundeswehr sind Soldaten des Friedens“ (Bild), zumindest so lange, bis Krieg ist. Und drittens wäre dies „Schmähkritik“, bei der „die persönliche Kränkung das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängt“ (BVG), und also „nach wie vor strafbar“ (taz). „Natürlich schwingt“ da „Aversion mit, von der sich auch ein Bundeswehrsoldat getroffen und verletzt fühlen muß“ (Berliner Zeitung). Angesichts der ausgeprägten „Beleidigungsfähigkeit“ (BVG) von Bundeswehrangehörigen sei dem schnöden Hintergangenen deshalb geraten, den Militär dafür in einer ihm vertrauten Form zu kritisieren, etwa mit: „Sie Arschloch, Sie Nappsülze, ich werde Sie schleifen, bis Ihnen die Eier glänzen!“ Und wenn's trotzdem Ärger geben sollte, hat man eben „alle Soldaten der Welt“ (BVG) gemeint. Kein Problem. André Mielke
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