■ Querspalte: Ist Kohl wirklich Buddha??
Nach eher unerfreulichen Vergleichen aus den Feldlagern der Reaktion, die in den letzten Jahren so vorbeikamen – Gorbatschow = Goebbels, Saddam = Hitler – sind nun auch die Sozialdemokraten in die Vergleichswirtschaft eingestiegen. Günter Verheugen, wir alle haben drüber gelacht, verglich unseren Kanzler mit Buddha. Kohl gefiel das „gut“, denn Buddha sei doch ein sehr lebensernster Mann gewesen, der sich durch seinen Wirklichkeitssinn und durch Ausdauer ausgezeichnet habe. Einer wie er also, dachte der Kanzler, „der völlig Erwachte .../ Kenner der Welten, zum Heile gekommen,/ Bester Erzieher der irrenden Menschheit,/ Lehrer der Götter und Menschen.“
Friedlich sitzt er da und läßt den Dingen ihren natürlichen Lauf. In langen Achtsamkeitsübungen machte sich Helmut die Hinfälligkeit der sichtbaren Gestalten deutlich und denkt nur noch über solche Dinge nach, bei denen keine „Anwandlungen von Sinneslust, von Daseinslust und von Unwissenheit aufstiegen“. Er, „der durch die Haut begrenzt und mit allerlei unreinen Dingen angefüllt ist (...), der auf dem Totenacker liegt einen Tag nach dem Tode oder zwei oder drei Tage, der aufgedunsen, dunkelblau gefärbt und in Fäulnis übergegangen ist. (...) Ein Knochengerippe mit blutigen Fleischfetzen, das durch die Sehnen zusammengehalten wird, dann ein Knochengerippe ohne Fleisch, aber voll Blut, das durch die Sehnen zusammengehalten wird, dann ein Knochengerippe ohne Fleisch und Blut ...“
Ob Kohl allerdings wirklich Buddha ist, bleibt fraglich. Denn in den Buddhareden wird auch betont, daß ein Bhikku, der „sich behaglich den Bauch gefüllt hat und sich dann behaglich auf die Seite legt und sich träger Ruhe hingibt“, nicht geneigt sei, „sich zu bemühen, sich anzustrengen, auszuharren und zu ringen“ und infolgedessen „die vierte Fessel des Geistes nicht zerrissen“ hat. Dennoch: „Zu verehren ist Herr Kohl/ Zu bewirten, zu beschenken/ ehrerbietig zu begrüßen.“ Detlef Kuhlbrodt
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