■ Querspalte: Name ist Schall und Rauch
Diese Einsicht Fausts gilt nicht für jene, die sich um die nationalen Lorbeeren des Friedensabkommens von Dayton streiten. „Wer darf das Kind beim rechten Namen nennen?“ „Dayton-Abkommen“ – so reklamieren die USA ihre Verdienste. „Elysée-Vertrag“, kontert Frankreichs Regierung, den Ort der Unterzeichnung ins Gefecht führend.
Was hätte näher gelegen als ein Kompromiß? Das State Department zeigte sich generös, es schlug vor, Dayton einfach französisch auszusprechen: Friedensabkommen von „Detong“. Dieser Vorschlag hatte zudem den Vorteil, auch die im Sicherheitsrat vertretenen Chinesen ruhigzustellen. Denn mit De-Tong konnte auch China aufwarten.
Aber für alle guten Franzosen mit Präsident Chirac an der Spitze ist „Dayton“ schlicht ein brutaler Anglizismus, der ebenso wenig hinzunehmen ist wie le scoope, le squatter oder, harmloser, aber ebenso unerträglich, le week-end.
Und Rußland? Soll es namentlich ganz leer ausgehen bei seinen Verdiensten um Dayton, nur weil es das Pech hatte, daß Boris Jelzin am Herzen erkrankte, just einen Tag bevor die drei Präsidenten Serbiens, Kroatiens und Bosniens auf Jelzins Einladung hin den kürzesten Weg nach Dayton, den über Moskau, nehmen wollten? Nein, Rußland liefert jetzt seinen eigenen, klimatisch überaus passenden Beitrag für das elyséeische Gelingen. Außenminister Kosyrew schlug vor, das Verfahren des Internationalen Tribunals in Den Haag gegen Karadžić und Mladić wegen Völkermord und Massenhinrichtung „einzufrieren“. Ein Friedensbeitrag für Dayton insofern, als er die gefrorenen Temperaturen in Pale und Belgrad hinsichtlich der Freilassung der beiden französischen Piloten auftauen könnte.
Aber Undank ist der Welt Lohn, und Frankreich wie Rußland mußten dem amerikanischen Benennungsimperialismus weichen. Den Franzosen bleibt die Kreation eines neuen Verbums: „daytoniser“ – für „Angeklagte des Kriegsverbrechertribunals in Den Haag laufen lassen“. Johannes Vollmer
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