■ Querspalte: Figaro hier, Figaro da
In Bayern gibt es wieder Demokratie. Bei einem Bürgerentscheid sprachen sich 63,8 Prozent aller Augsburger Volksabstimmer gegen den Bau einer riesigen unterirdischen Großgarage aus, die Prof. Dr. hc. Ignaz Walter, Herrscher von weltweit 45.000 Knechten und zweitgrößter Bauunternehmer der Republik, der Stadt hatte schenken wollen. Obgleich der OB und die CSU und der ADAC und der Bund der Steuerzahler und auch ein paar Eishockeyspieler und eben auch 37,2 Prozent das Geschenk gerne angenommen hätten. Jubel bei den umweltbewegten Gegnern. Ein Schlag ins Gesicht für den lieben Herrn Walter.
Vor allem auch sehr beleidigend, denn nichts kränkt und demütigt den Großmütigen mehr, als die Zurückweisung einer Gabe. Sensible Gemüter, deren Geschenke etwa von ihrer großen Liebe abgelehnt werden, nehmen sich dann oft das Leben oder verschenken nie mehr was.
Wobei die Gabe von Herrn Walter so souverän nun doch nicht war, denn „der Millionär“, so die Garagengegnerin Eva Leipprad vom „Forum Augsburg lebenswert“, hatte neben umfangreichen Werbemaßnahmen auch bezahlte Unterschriftensammlerschergen durch die Fuggerstadt geschickt, um die Fuggerstädter zur Annahme der schönen Tiefgarage zu bewegen. Die mußten sagen, daß die Auswirkungen der Garage auf die Umwelt „nicht negativ, sondern positiv“ sein würden, und kriegten 60 Mark die Stunde. (Da staunt man als Berliner mal wieder über das westdeutsche Lohnniveau.)
Vor sechs Jahren wollte Ignaz Walter der Stadt schon einmal eine Autounterbringungsanstalt schenken. Da war die SPD davor und dagegen und verlor deshalb die Kommunalwahlen. Haushoch. 100 Jahre Menschen. Wankelmütig sind sie geworden und neigen zu Impulskäufen. Figaro hier, Figaro da; mal Auto, mal Fahrrad, mal Dortmund, mal München, mal hü, mal hott, und auch noch schrecklich undankbar. Vielleicht sollte Herr Walter, um die ihm angetane Beleidigung zu erwidern, dem Volk Kaugummis oder Wohnungen schenken. Detlef Kuhlbrodt
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