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■ QuerspalteBrüder Grimm, gefesselt

Wer wüßte das nicht: Der Mensch ist frei geboren und doch überall in Ketten. Also wollte Manfred Such von der Bundesregierung wissen, was sie so weiß – über die Ketten im allgemeinen und im besonderen. Etwas ungelenk formulierte der grüne Bundestagsabgeordnete seine Frage, wie und wie oft „abzuschiebende Ausländer in den Jahren 1994 und 1995 anläßlich ihrer Transportbegleitung durch Beamte des Bundesgrenzschutzes geknebelt oder gefesselt wurden“. Er wollte „Informationen über die Ist- und Soll-Beschaffenheit der verwendeten Fesseln“. Wen bewegt diese Frage nicht?

Die Bundesregierung gab rhetorisch alles und warf mit ihrer Antwort die deutsche Sprache hinter die Brüder Grimm zurück. Wir dokumentieren in Auszügen: „Gesetzlich sind keine besonderen Fesselungsmittel vorgeschrieben. Nach Abschnitt V der Verwaltungsvorschrift zu §8 UZwG soll mit den zugewiesenen Fesseln gefesselt werden. Stehen diese jedoch nicht zur Verfügung, können sonstige geeignete Fesselungsmittel eingesetzt werden... Diese unterliegen dem allgemeinen polizeilichen Gebot der Geeignetheit, Erforderlichkeit sowie der Verhältnismäßigkeit... Während der Dauer des Fluges, mit welchem die Außerlandesbringung rückzuführender Ausländer vollzogen wird, finden jedoch keine Fesselungsmaßnahmen statt, sondern... allenfalls Fixierungen mittels Klettband.“

Wenden wir uns für einen kurzen Moment dem Leben zu: Der Nigerianer Kole Bankole ist am 30. August 1994 auf dem Frankfurter Flughafen ganz überraschend erstickt. BGS-Beamte hatten ihm ein paar Skisocken in den Mund gestopft.

Und jetzt schnell wieder zurück in die Politik. Die Bundesregierung führte aus: „Es liegen keine Erkenntnisse vor, demzufolge der im Falle Bankole verwendete Beißschutz, der aus einem zylinderförmigen Wollstoff und einem Haltegurt bestand, sachwidrig war, namentlich ein Erstickungsrisiko beinhaltete.“ Richtig so. Wer frei sein will, dem ist kein Knebel zu fest. Es ist eben alles eine Frage von Geeignetheit. Jens König

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