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■ QuerspalteHelmut the eagle

Ganz klar, das ist die politische Meldung des Jahres, und wie nicht anders zu erwarten, steht sie da, wo Meldungen dieser Art hingehören: in der FAZ. „Bundeskanzler Helmut Kohl“, hieß es im Sportteil der Sonnabendausgabe, „fehlt wegen einer Verletzung beim Abschiedsspringen von Olympiasieger Jens Weißflog an diesem Samstag in Oberwiesenthal.“

Also doch: Die Blessur, die sich Kohl eine Woche zuvor bei einem Waldlauf zugezogen hatte, war anscheinend nicht so harmlos, wie zunächst dargestellt. Der Kanzler teilt das Schicksal von Jürgen Kohler – Innenbandabriß. Droht das Ende seiner sportlichen Karriere?

Nur Kohls engste Mitarbeiter waren bislang in seinen Geheimplan eingeweiht. Der Kanzler arbeitet seit Monaten an einer neuen Karriere. Von allen Seiten war ihm vorgeworfen worden, er sei das eigentliche Problem des Standorts Deutschland und sitze alle Probleme nur aus. Er war nicht bereit, dies länger hinzunehmen. Was heißt hier Standort, murmelte er immer wieder wütend vor sich hin. Ich steh doch über den Dingen. Nur wie?

Kohl plante, alle Vorwürfe unter sich zu lassen. Codename der Aktion: „Der große Sprung“. Er wollte raus aus dem Freizeitpark Deutschland, rein in den Hochleistungssport. Endlich mal so richtig abheben. Unter den Wolken, da muß die Freiheit wohl grenzenlos sein. Von wegen aussitzen! „Floh“ würden sie ihn rufen. „Helmut the eagle“. Kohl schlug sein Quartier im finnischen Lahti auf und trainierte besessen für den Tag X. Beim Abschiedsspringen von Jens Weißflog sollte es soweit sein. Er würde in Oberwiesenthal abspringen und in Bonn landen. Mitten in der großen Gewerkschaftsdemo, direkt vor den Füßen von DGB- Chef Schulte. Jetzt ist Schluß mit lustig, würde er rufen. Ich kann fliegen, dies ist ab heute eine andere Republik.

Doch dann das: Sturz beim Waldlauf. Jetzt liegt der Kanzler verletzt in Lahti. In einer finnischen Hängematte. Vermutlich kassiert er Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Aber das wird er auch noch aussitzen. Jens König

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