■ Querspalte: Die Pakete enger schnüren
„Wir müssen“, sagte der Bundeskanzler und lockerte dabei seinen Gürtel, „das Paket enger schnüren.“ Am Kabinettstisch (wo Kohl immer so nett isch) nickten alle mit dem Kopf. „Wir tun noch bißchen Sozialhilfe rein“, schlug der Finanzminister vor. „Und ein kleines Bündel Subventionen paßt auch noch“, rief der Arbeitsminister trotzig.
Vor der Regierung lagen ein großer Karton und jede Menge Bündel. „Nie und nimmer paßt das alles hinein“, stöhnte Waigel und drückte mit aller Kraft auf den Deckel des Pakets. Schließlich setzte sich der Kanzler mit seinem ganzen Gewicht auf das Päckchen, während die Minister mit vereinten Kräften an einer Schnur zogen und alles mit buntem Papier umwickelten.
Es sah dennoch zum Heulen aus, das „Sparpaket“. An seinen Nähten plazte es schon auf, und als Waigel „nur noch den Kündigungsschutz“, in einer alten Keksdose verstaut, mit hineinpacken wollte, gab der Boden nach. „Holt mehr Schnur“, befahl der Kanzler, „wir müssen das Ding heute noch verschicken.“
Die Bonner Politik gleicht derzeit Weihnachten mit anderen Mitteln: Ständig wird ein- und ausgewickelt, umgetauscht und aufgetischt. Eine Überraschung jagt die nächste, und mit viel Glitzerpapier wird noch aus billigsten Socken ein nettes Präsent.
Eigentlich hieß das „Sparpaket“ ja einmal „Programm für mehr Wachstum und Beschäftigung“, abgekürzt: Profümewaub. Aber weil Paket sympathischer klingt als Profümewaub, reden die Bonner Verpackungskünstler nur noch vom „Sparpaket“, das den einen „korrekturbedürftig“, den anderen „ausgewogen“ erscheint. Was drin ist im Paket, weiß schon lange niemand mehr so genau – nur festgezurrt muß es bald werden, das wissen alle.
Gut so. Was der Bürger nicht weiß, das macht ihn nicht heiß. Denn hätte ich immer schon vorher gewußt, was mir Tante Irene zu Weihnachten wieder eingapckt hat, ich hätte an den billigen Socken schon im voraus gelitten ... Philipp Maußhardt
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen