■ Querspalte: Sieger im SSV
Wie unerbittlich hatten sich doch die Vertreter des Verkaufspersonals in den letzten Tagen gezeigt: Zum Sommerschlußverkauf (SSV) wird gestreikt! Jetzt erst recht! Dann aber plauderte die Gewerkschaft Handel, Banken, Versicherungen (HBV) aus, welcher Betrieb als Pilotprojekt für einen ganztägigen Ladenschluß ausgesucht war, und schon brach alles zusammen. Geheimnisverrat, heulte die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG) auf und sagte ihren Streik in einer Berliner Karstadt-Filiale kurzerhand ab. Die HBV wies daraufhin den bei ihr organisierten Rest der Belegschaft an, ihre Arbeitsniederlegung ebenfalls zu vertagen.
Roland Tremper, Sprecher der DAG in Berlin, machte der Konkurrenz nun Vorwürfe. Weil die HBV gepetzt hatte, hätten sich die Arbeitgeber auf den SSV- Streik vorbereiten und Hilfe herbeiholen können. Die DAG hält ihre Mitglieder also für leicht ersetzbar, notfalls auch über Nacht. Denn immerhin geht es um insgesamt 800 Karstadt-Beschäftigte, die am Montag nun doch dem Ansturm der Schnäppchenjäger trotzen mußten.
Und das hätten wir doch gern gesehen, wie den eilig zusammengetrommelten Abteilungsleitern aus allen Karstadt- Häusern der Republik das Verkäuferlächeln gefroren wäre. Stellen Sie sich bitte einmal vor, wie die Arbeitgeberhelfershelfer – womöglich unterstützt von ihren zwangsrekrutierten Familienmitgliedern – arglos die Türen des Kaufhauses öffnen: Die Hälfte wäre sofort bei der Käuferstampede arbeitsunfähig getrampelt worden. Die anderen wären während der Schlacht um billige Sommerblusen erwürgt oder aber in den Kübeln mit superbilligen Unterhosen zu Grabe getragen worden. So aber bleiben die Arbeitgeber Sieger. Und die ständige Beteuerung, man wolle die Auseinandersetzung nicht auf dem Rücken der Verbraucher austragen, nimmt der Kunde den Gewerkschaften eh nicht mehr ab: Ohne 800 wachsame Augenpaare hätte so manches Sonderangebot von den Kunden noch einmal zum Super-Super-Preis herabgesetzt worden können. Carola Rönneburg
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