■ Querspalte: Der Sozi-Lama naht
Eine Partei atmet wieder frei. Ihre Hoffnung wächst gen Himmel, Erleuchtung naht, Erlösung ist im Kommen. Seit gestern wissen die Sozialdemokraten: Das Bangen um ihre politische Zukunft hat ein Ende, die Wahlen werden wieder gewonnen, der Sieg steht ins Haus. Noch ist er nur in Umrissen, nur embryonal sichtbar, der Sieg. Aber er ballt sich zusammen, in Christa Müllers Bauch, Tag für Tag deutlicher.
Gestern hat die im fünften Monat schwangere Lebensgefährtin von Oskar Lafontaine der Bild-Zeitung das Geheimnis ihres ungeborenen Sohnes anvertraut: „Auf einem Ultraschallfoto hatte er ein bißchen Ähnlichkeit mit Willy Brandt.“ Halleluja, endlich die ersehnte Wiedergeburt! Brüder, zur Sonne, zur Freiheit, der Erlöser, der Sozi-Lama naht!
Nein, leider nicht an Weihnachten, erst im Februar ist es soweit. Aber Mama Christa (40) ist jetzt schon gezwungen, kürzer zu treten, weil Sohnemann sie seinerseits ständig tritt. Welch gesammelte Kraft hat er jetzt schon in den Beinchen, welch konzentrierte Energie zeigt sich da! Ein Irrtum ist kaum mehr möglich: Das muß Klein-Willy sein. Papa Oskar (53) platzt fast vor Stolz. Wie er das wieder hingekriegt hat! Noch besser als die Bundestagswahlen 1990!
Eines aber hat der SPD-Chef bisher verschwiegen: Um diese neue durchschlagende Strategie zur Wiedergewinnung sozialdemokratischer Macht wurde lange und hart hinter verschlossenen Türen gerungen. Willy, so lautete das Ergebnis, soll kein Einzelkind bleiben. Um die Nachwuchsprobleme der gebeutelten Partei ein für allemal zu lösen, sollen Helmut und Herbert in kurzer Zeit folgen – so sah es jedenfalls der Parteivorsitzende vor. Er soll jedoch große Mühe gehabt haben, die widerspenstige Christa Müller zu überzeugen. Dem Plan Helmut soll sie widerwillig zugestimmt, dem Plan Herbert soll sie sich jedoch striktemente widersetzt haben.
Eine Frage bleibt deshalb ungelöst: Wer trägt Dalai Wehner aus? Brigitte Seebacher-Brandt? Ute Scheub
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