■ Querspalte: Kopfhörer für Elton John
Am 1. Juli wird Hongkong an China übergeben. Seit Monaten zerbrechen sich deshalb die Mitarbeiter der britischen Kolonialregierung und die künftigen Machthaber darüber die Köpfe, wie sie bei der Fete das Volk bei Laune halten können. Peking hat für das Ende der kolonialen Schmach Dutzende von Liedern komponieren lassen. Die Briten dagegen setzen ganz auf die westliche Unterhaltungsindustrie.
Doch das ist schwieriger als erwartet. Zunächst sagten der Startenor Pavarotti und der Magier Copperfield ab. Man konnte ihre Gagenforderungen nicht erfüllen. Nach mühsamer Suche wurde man schließlich bei Elton John fündig. Der Popstar erklärte sich bereit, Ende Juni zwei Konzerte in Hongkong zu geben.
Doch ausgerechnet in der Stadt, in der Jets beim Landeanflug durch Hochhäuser fliegen und wo es bei der Übergabe das größte Feuerwerk der Geschichte geben soll, haben jetzt Lärmvorschriften für Furore gesorgt. Die Bezirksräte des Stadtteils Happy Valley verweigerten eine Ausnahmegenehmigung von der höchstzulässigen Lautstärke von 70 Dezibel. Nichts Außergewöhnliches. Bezirksrat Ronald Leung: „Wir haben schon häufiger Konzerte aus Lärmschutzgründen nicht genehmigt.“ Als Kompromiß schlug sein Kollege Fed Li vor, alle 40.000 Konzertbesucher sollten Kopfhörer aufsetzen. Das war Elton John zuviel, er sagte das Konzert ab. Der für seine extravaganten Brillengestelle bekannte Musiker wollte offenbar nicht auch noch für ausgefallene Kopfhörer berühmt werden.
Konzerte mit Kopfhörern sind nichts Neues in Honkgong. Im letzten Jahr gab es in der Stadt sogar eine Veranstaltung, auf der alle Besucher Handschuhe tragen mußten. Begründung: Begeistertes Klatschen könnte die Anwohner in ihrer Ruhe stören. Stellt sich die Frage: Wie halten es die künftigen Machthaber mit der Einhaltung der Lärmvorschriften? Vielleicht sind die Kopfhörer ja nur ein Vorgeschmack auf die unter chinesischer Hoheit drohenden Maulkörbe? Sven Hansen
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