■ Querspalte: Biermann: Pimmel in der Brust
Was wurde eigentlich aus ... – Wolf Biermann? Lange hatte man nichts mehr von ihm gehört, niemand sollte „à la lanterne!“ gehängt und kein „Stasi-Schwein“ geschlachtet werden. Einzig eine Anekdote gab es in diesem Jahr über ihn zu hören: Daß nämlich Biermann seine Einweisung in eine nicht luxuriös, aber vollständig eingerichtete Konzertgarderobe im Ruhrgebiet so kommentiert habe: „Hier sieht's ja aus wie in Buchenwald.“ Denn unter einem KZ-Vergleich, das durfte die Öffentlichkeit schon oft erfahren, tut es Wolf Biermann beim Dichten und Singen nur äußerst ungern.
Jetzt aber ist Biermann wieder da, und er ist, wie man so sagt, back with a bang! „Journaille“ heißt das Gedicht, das Biermann unverlangt der Süddeutschen Zeitung schickte, die es dankenswerterweise druckte (SZ, 8./9. 3. 97). Für seine letztgültig gemeinte Vernichtungssuada hat sich Biermann schwer munitioniert: Eine Journalisten-Füsilier-Phantasie von Sören Kierkegaard ist seiner Ballade vorangestellt.
Die aber geht so los: „Ob sie loben oder tadeln / Runterreißen oder adeln / Ob sie soffen oder pißten / Glocken läuten, Hochzeit hupen / Ob sie flotte Features pupen / Promis lecken oder beißen / Auf dich schwören oder scheißen“ – in gewohntem Biermann-Deutsch durchwandert Wolf Biermann das Land Fäkalien.
Dabei geht manches Bild in die Binsen: „Unterm Schädeldach blüht Schimmel / In der Brust schlägt schlapp ein Pimmel.“ Muß man sich jetzt auch noch anatomisch um Wolf Biermann sorgen? Netten Umgang scheint er ebenfalls nicht zu pflegen: „Knebelbartbewachsne Weiber / Hippen ohne Unterleiber.“ Bei so gestalteten Freundinnen ist es technisch gesehen allerdings sehr praktisch, wenn einem der Pimmel in der Brust schlägt.
Beim Reimen endlich wagt sich Biermann auf das Terrain der Silberhochzeitslyrik vor: „Sie beklackern Bärbel Bohley / Covergeil mit Helmut Kohley.“ Und die Süddeutsche bekommt 60.000 Mark Büchner-Preisgeld für ihre Kalauerkasse. Wiglaf Droste
Lesen gegen das Patriarchat
Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen