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■ QuerspalteSchöne neue Bahn

Egal ob Gebißreiniger oder die FDP: Werbung ist das Maß aller Dinge. Auch bei der Bahn. Wer erinnert sich nicht an deren Meisterwerke „Die Bahn fährt immer“ und „Alle reden vom Wetter. Wir nicht.“? Nun gilt es aber heutzutage nicht nur Positives anzupreisen. Der wahre Werbe-Meister zeigt sich dort, wo dem Kunden Unangenehmes mitgeteilt werden soll. Und da weist das neue Kursbuch der Deutschen Bahn AG, wohin die Reise in die Moderne geht.

„Reiseverkehr eingestellt“: Dieser schnöde Satz, der wieder einmal das Ende einer Strecke anzeigte, fand sich früher in den voluminösen Werken der Deutschen Bundesbahn. Dazu gab es dann auf der Streckenkarte statt eines dicken Strichs für befahrene Eisenbahnlinien zwei dünne für stillgelegte. So wurde dem Kunden klargemacht, daß der Bummelzug von Oberkotzau nach Dünstekoven der Vergangenheit angehört. Zutiefst geknickt begann der über die Anschaffung eines eigenen Automobils nachzudenken.

Heute regiert der werbetechnische Fortschritt. Der eingestellten Strecken wird nicht mehr mit dünnen Linien gedacht. Sie verschwinden im neuen Kursbuch ersatzlos, als sei dort niemals ein Zug gefahren. Wer nicht wußte, daß dort einst eine Regionalbahn zuckelte, wird auch keinen Grund zum Ärgern finden. Im Kursbuch selbst findet der Kunde dann seine stillgelegte Bahn doch noch. Der Reiseverkehr ist allerdings nicht einfach eingestellt. „Der Schienenpersonennahverkehr wurde vom Freistaat Thüringen abbestellt“, heißt es da etwa bei der Linie 568 von Suhl nach Schleusingen. Abbestellt! Das Abo gekündigt! Will heißen, wir wären ja liebend gerne weitergefahren, aber dieser Freistaat...

Eines haben die Werbestrategen nicht bedacht. Wenn ich etwas abbestelle, kann ich es auch wieder zurückbestellen, wenn mir danach dürstet. Welch ein Glück: So wird nie mehr eine Eisenbahnstrecke abgebaut werden, auch wenn kein Zug mehr drüberfährt. Ewig glänzen die Schienen – dank Ihrer Deutschen Bahn AG. Klaus Hillenbrand

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