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■ QuerspalteLernen für das Leben

Die Opposition ist weitgehend zum Schweigen gebracht, unabhängige Zeitungen werden im Ausland gedruckt. Jetzt will Weißrußlands Staatspräsident Alexander Lukaschenko auch den jungen Menschen in seinem Reich zeigen, wo der Hammer und die Sichel hängen. Für sie hat sich der Dikator, der gemäß dem Motto „Leck mich“ mittlerweile auch als Briefmarke im Umlauf ist, etwas Besonderes ausgedacht. Wer studieren möchte, muß eine Aufnahmeprüfung ablegen. Fachkenntnisse allein reichen da natürlich nicht aus, auch die politische Einstellung muß stimmen. Das Bildungsministerium in Minsk gab nun das Thema für den obligatorischen Besinnungsaufsatz bekannt: wir Weißrussen und das russische Brudervolk.

Herr Präsident, was soll den armen Hochschülern in spe denn dazu noch einfallen? Ihnen selbst fiel doch auch nichts mehr ein, damals im Mai, als vom avisierten Beischlaf mit dem großen Bruder in Moskau nicht viel mehr übrigblieb als eine Scheinehe unter dem hübschen Namen Unionsvertrag. Nein, soll der Nachwuchs vor Ideen nur so sprudeln, muß ein anderes Thema her. Wie wäre es mit: schöner und kürzer leben unter Staatspräsident Lukaschenko? Absolventen staatlicher Universitäten haben seit kurzem wieder das Privileg, zwei Jahre in den vom Tschernobyl-Fallout verseuchten Zonen arbeiten zu dürfen, wenn sie ihr Diplom erhalten wollen. Dort, wo gute Milch reichlich fließt, eingelegte Pilze besonders gut schmecken und die Beschaffung von Wohnraum kein Problem ist.

Allerdings bestätigen Ausnahmen die Regel, auch in Weißrußland. Der Sproß von Alexander Lukaschenko ist von dieser Regelung selbstredend ausgenommen. Aber auch Normalsterbliche können sich vor vorzeitigem Haarausfall schützen. Sie brauchen nur in Lukaschenkos Jugendorganisation „Direkte Aktion“ einzutreten. Und da lernen sie dann das, was für das Überleben in diesem Land am wichtigsten ist: Jubeln und das Stiefellecken. Lang lebe Alexander Lukaschenko. Barbara Oertel

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