■ Querspalte: Pizza Gorbatschow
Daß Rußlands RentnerInnen nur selten in den Genuß ihres wohlverdienten Altersruhegeldes kommen, ist bekannt. Nun hat es auch einen der prominentesten Pensionäre des Landes erwischt: Michail Sergejewitsch Gorbatschow. Er braucht Geld, ziemlich dringend und ziemlich viel. Doch woher nehmen? Vorträge über die Misere des Landes mag niemand mehr so recht hören und dafür bezahlen schon gar nicht. Vielleicht gewinnbringend einen Staatsbetrieb privatisieren? Geht auch nicht, denn da schreiben dann andere darüber und kassieren, wie neulich Vizepremier Tschubais, erst mal richtig ab. Was übrigens auch funktioniert, wenn besagte Schriften niemals auftauchen.
Mit einheimischen Produkten, wie zum Beispiel Wodka, werben? Unoriginell, denn zumindest in Deutschland lassen sich bereits Tausende von Alkoholliebhabern im Namen des Perestroika-Mannes vollaufen. Außerdem müßte Gorbatschow dann Jelzin Konkurrenz machen. Da würde er wohl den kürzeren ziehen. Schließlich demonstriert niemand so eindrucksvoll wie Jelzin, und das auch noch über die Landesgrenzen hinweg, zu welchen geistigen Höhenflügen der Konsum des „Wässerchens“ führt.
Doch veränderte Bedingungen erfordern nun mal Flexibilität. Und deshalb muß jetzt der einstige Klassenfeind herhalten. Demnächst wird Gorbatschow für die US-Fast-food- Kette „Pizza Hut“ in den Ring steigen. Und das geht so: Michail Sergejewitsch hält den Besuchern des Restaurants ein Stück Pizza unter die Nase, und die Hungrigen rufen entzückt: „Lang lebe Gorbatschow, der uns Pizza Hut gebracht hat!“ Auch Gorbatschows Enkelin Nastassija soll dabei auftreten. Seilschaften funktionieren eben auch zwischen Käse, Pilzen und Tomatensoße. Doch so wenig, wie die meisten RussInnen in den Genuß der zu teuren Pizza kommen, werden sie ihren einstigen Staatslenker auch nicht in seiner neuen Rolle bewundern können. In Rußland will „Pizza Hut“ den Werbespot lieber nicht austrahlen. Barbara Oertel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen