■ Querspalte: Ballermann light
„Das Erlebniszeitalter gleicht derzeit mehr einem Sparzeitalter“, erklärte Freizeitforscher Horst W. Opaschowski nach einer repräsentativen Umfrage eines Freizeitforschungsinstuts dieser Tage. Wie interessant, denkt man und freut sich grimmig über den Nullsatz, über den sich ja doch einiges sagen läßt. Was hat es für einen Sinn, vom „Erlebniszeitalter“ zu sprechen, wenn das „Sparzeitalter“ gemeint ist, obgleich es andererseits ja doch wieder Sinn macht, denn Erlebniszeitalter meint ja gerade eine Zeit, in der der einzelne zu dumm ist, irgend etwas zu erleben, deshalb muß er dann ja in den Erlebnispark. Da kommen Micky Maus, Wim Wenders und Goofy und füttern ihn mit lustigen Erlebnisereignissen. Oder er geht in die Erlebnisgaststätten wie „Pflaumenbaum“ und „Zungenkuß“ und wird von Animeusentanten und Animieronkels in lustigen Clownskostümen zum Swingln animiert.
Das macht Spaß. Ballermann light, aber doch ganz schön heavy, wenn man in die Gesichter der erlebnis- und ereignishungrigen Kundschaft guckt, die erlebnistrunken vor den Ereignisgaststätten herumhängt. Die SPD möchte sich auch gerne als Erlebnis- und Ereignispartei profilieren. (Daß dieser ganze Erlebnis- und Ereignisschwachsinn die Lieblingsbegriffe der nationalsozialistischen Existenzphilossophie waren, sei nur am Rande bemerkt.)
Zurück zur Freizeit: Die Marktforschung hat auch herausgefunden, daß die Deutschen immer indoororientierter ihre Freizeit verbringen. Das nennt man „nesting“, vor ein paar Monaten im Spiegel hieß es noch „cocooning“.
Petra, die Soziologiestudentin, arbeitet auch in der Marktforschung. Neulich befragte sie einen ganzen Tag lang ihre Kunden zu Inkontinenzproblemen. Während eines interessanten Gesprächs mit einem Inkontinenzinteressierten hätte sie plötzlich im Hintergrund eine Stimme gehört, die etwas unwirsch rief: „Das ganze Sofa ist ja schon wieder naß.“ Das sind so die Lach- und Sachgeschichten aus der Inkontinenzforschung. Detlef Kuhlbrodt
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