■ Querspalte: Querdenker an die Einheitsfront!
Im letzten Moment fiel Antje Vollmer dann ein, daß es außer den Sudeten noch andere Heimatvertriebene gibt, und reiste, ganz wie in ihrer radikalkommunistischen Jungmädchenzeit, gleich mit einer ganzen Delegation nach Paris. Zum Montmartrer Grab des lang schon vermoderten Dichters M. 'enri 'eine zog es sie, und eine bestimmte süße Melodie wollte ihr einfach nicht aus dem Sinn. Vergoß, wie sich's für parlamentärische Amtmänninen gehört, ein Tränlein in Ehren und lobte, daß dieser „Pariser Bürger, Europäer und Kosmopolit“ seinerzeit nichts Besseres zu tun hatte und sich deshalb „um das Vaterland verdient gemacht“ hat.
Recht geschieht's dem Dichter Heine, daß ihm dafür jetzt „das Vaterland in Gestalt einer Vertreterin des Parlaments ins Exil nachgereist“ ist (immer noch Mlle. Vollmér). Das Vaterland, das gute, es holt sie halt alle gern heim, die verirrten Schäflein. Und am mütterlichen Busen der stellvertretenden Präsidentin erstirbt jeder unpatriotische Spott.
Der andere amtlich anerkannte Querdenker, Roman „Ruck“ Herzog, suchte derweil in Heines Geburtsstadt Düsseldorf „Streit und Widerspruch“, verlangte nach den „Zumutungen und Fragen unabhängiger Köpfe“ und fand sowieso den „sperrigen Individualisten“ Heine super.
Wenn einem soviel Sperrholz wird beschert, dann ist das schon den einen oder anderen vaterländischen Tropfen wert. Kaum ist einer richtig mausetot, wird er rauf und runter gefeiert, kriegt von der vaterländischen Post runenumrankte Sonderbriefmarken und Sechzehntel-Lorbeerblätter von Wolf Biermann. Dann exhumiert auch das aufmüpfige Debattenorgan Bunte den alten Heine und entdeckt Nachfahren des Dichters in den Medien, bei der lieben FAZ zum Beispiel. Und hinter der steckt seit je ein sperriger Kopf. Heinrich Heine, Antje Vollmer, Roman Herzog: soviel Vaterland war ja wohl nie wie bei diesen drei Querdenkern. Da lacht die Loreley, und in Treue fest steht sie, die Wacht am Rhein. Willi Winkler
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