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■ QuerspalteGnade: Die 68er kommen wieder

Herr, der Herbst war schon sehr groß, dieser Deutsche Herbst, und nun ist es auch ziemlich gut. Helmut Schmidt war Antigone oder Sophokles oder „der Kanzler“, und Peter- Jürgen Boock erzählte, brav gescheitelt, von seiner Sprechstunde bei „Dr. Schleyer“. Stündlich wurden die Stammheimer Zellen interviewt und nach verdächtigen Geräuschen befragt, während die Stewardessen der „Landshut“ a capella neue, frischgefönte Grusicals dazu sangen. Wenn das Fernsehen mal grad nicht herschaute, wurde der Nationalsozialismus exorziert und hinterrücks der Fritz Teufel balbiert. Baader haben sie dandyfiziert und Herold exhumiert, und wer nicht dabei war, wußte es am besten: Bleiern war die Zeit und fein, ganz fein der Sand in Baaders Schuhen. Die RAF ist Schicksal, deutsch, aber mit sehr viel herbstlicher Seele.

Und jetzt? Auf den Fluren sind die Winde los und in den Zeitungen schon gleich gar nichts. Keine Tochter mehr, die für die Stadtguerilla pubertierte oder öffentlich Buße täte für die Sünden der Väter und Mütter. Der Schatten ist gewichen von den Sonnenuhren, die letzte Süße rettungslos versackt in der schwarzen Milch der Frühe. Weh mir, wo nehm' ich, wenn / Es Winter ist, die Themen?

Hölderlin weiß auch hier weiter, und der Deutsche Herbst nimmt ab sofort kein Ende mehr: „Die Mauern stehn / Sprachlos und kalt, im Winde / Klirren die Fahnen.“ Fahnen? War da nicht was? 68? Demos, Protest, Wasserwerfer, Polizei? Deutschland und die ganze Welt? Kaum ist das siebener Jahr rum, tritt der deutsche Herbst in die Wiedervorlage, der ganze Krampf von vorn, noch mal NotstandsgesetzeAPOOsterunruhenKennedyermordetNordvietnambombardiertPrag einmarschiertSpringerenteignet – nein, Leute, bitte, diesmal gibt es nichts zu feiern, denn ihr habt damals versagt: Springer ist nicht enteignet oder bloß von Kirch. Die 68er haben ganz fürchterlich gesiegt, die Volkskommissare Volker Rühe, Wolfgang Schäuble und Thomas Gottschalk die Macht übernommen. Soviel Herbst war nie. Willi Winkler

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