■ Querspalte: Mein Name ist Hase
Ach du dickes Ei: In diesem Jahr werden es wieder an die zehntausend Briefe sein, die Hanni Hase im niedersächsischen Ostereistedt beantworten muß. Täglich acht Stunden sitzt Hase auf seinem Hintern und beantwortet Kinderbriefe. „Im Schnitt der letzten Jahre waren es immer um die fünftausend, doch diesmal werden es doppelt so viele“, stöhnt er, wischt den Schweiß von der Stirn und zeigt seine tintenverklecksten schwieligen Pfoten, die vom vielen Schreiben bereits bluten. Wo bleibt hier die Gewerkschaft? Wo die massive Arbeitszeitverkürzung, wo der Sechsstundentag auch für Osterhasen? Glaubt ÖTV-Chef Herbert Mai, er könne das mächtige gewerkschaftliche Basis der Osterhasen einfach ignorieren, nur weil er nicht Herbert April heißt?
Dabei heißt auch Hanni Hase nicht wirklich so. In der Realität hat man ihn mit dem schnöden Namen Herbert Miesner nicht eben fürs Leben beglückt. Mein Name ist Hase, beschloß also Herr Miesner in 27404 Ostereistedt. Mein Name sei Hanni Hase, hatte sich schon vor 16 Jahren ein Kollege von ihm ausgedacht, als ihm zum ersten Mal ein Kinderbrief an den Osterhasen in die Hände fiel. Der 500-Seelen-Ort bei Zeven wurde zum Sitz des Osterpostamtes. Seitdem erhält Herr Hase Waschkörbe voller österlicher Wunschzettel aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Geäußert werden die unmäßigsten Begehren, zum Beispiel „ein glatthaariges Meerschweinchen“ oder „eine Hängematte voller Schokoladeneier“.
Diese nimmersatte Jugend von heute hat Hanni Hase mit seinen blutenden Pfoten bald soweit, daß er alles hinschmeißt und auswandert. Nach Großbritannien zum Beispiel, seit neuestem ein Paradies für Osterhasen. Man hört von Absatzbewegungen aus diversen europäischen Ländern, die Fähren über den Kanal sind bereits überfüllt, selbst durch den Euro-Tunnel sollen sie schon rennen: Prinz Charles will demnächst Möhren aus eigenem biologischem Anbau verkaufen! Ute Scheub
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