■ Querspalte: Bis der Drücker wieder geht
„Es herrscht Aufbruchstimmung“, trompetet da einer. „In Deutschland setzen die ersten wieder auf Zukunft und Wachstum.“ Gähn, denkt sich der unionsmüde Zeitgenosse, dieser Kohl klammert sich auch an den letzten Strohhalm vermeintlichen Aufschwungs. Und entblödet sich nicht, an sein ABM-Wahlkampfgeschenk für den Osten zu appellieren: Arbeit-Bis-Mandatsvergabe – erst nach der Wahl wird wieder gekürzt. Aber, huch!, nicht etwa der Dicke hat Bild da eine teure Anzeige auf Seite 2 bezahlt. Nein, es schrödert.
„Die deutsche Wirtschaft läßt die Muskeln spielen“, erklärt der Kandidat über offenem Hemdkragen die Hannover- Messe zum Bodystudio der Industrie. Ein Verweis, dessen Hintersinn sich nur mit Blick auf seine Erfolgsbilanz vermittelt. Etwas anderes, das irgendwie mit Aufschwung zu tun haben könnte, kann der Niedersachse eben auch nach vieljähriger Regentschaft nicht vorweisen. Immerhin, „die Stimmung wandelt sich“, schreibt „Gerhard Schröder zum Thema: Aufschwung“. „Ich werte das schon als meinen ersten Erfolg. Das beflügelt.“ In der Tat, es beflügelt, an Kohl zu denken. Nun wollen wir nicht Schröders mit Birnen vergleichen. Aber die kleine, fettgedruckte 1 links oben signalisiert uns: Das wird ein Fortsetzungsroman. Ein lustiges Groschenheftchen, das einerseits Kohlsche Kontinuität verspricht: „Eine Bundesregierung unter meiner Führung wird nicht alles anders machen, aber vieles besser“; und andererseits mit den Methoden der Neuen Mitte operiert, die es zu gewinnen gilt. Schröder weiß so gut wie der arme Tropf von der Abonnentenwerbung an der Haustür, was er tun muß, um die Abschlußprämie sicher zu haben. Die Unterschrift, er braucht noch die Unterschrift! „Deshalb eines nicht vergessen: Stimmungen sind nicht genug. Im September können sie den Aufschwung sicher machen. Ihr Gerhard Schröder.“
Wie dirigierte die Regie des SPD-„Parteitags“ doch: Jetzt durch den Spion winken, bis der Drücker wieder gegangen ist. Christian Füller
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