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■ QuerspalteWahre Politik der Straße

Es klingt wie eine Masche, um noch mehr Jahreswagen zu verscheuern. MitarbeiterInnen von Mercedes-Benz werden von ihrem Unternehmen gewarnt, nach einem Umzug in die Hauptstadt nur ja nicht mit dem Fahrrad zu fahren: „Radfahren in Berlin ist nur für Desperados und Fahrradfreaks zu empfehlen“, heißt es in einer Broschüre des Konzerns. Weil die braven Stuttgarter Mitarbeiter das nicht sein wollen, ist klar: Wer seine Gesundheit schützen und damit der Firma einen Dienst erweisen will, der fährt Auto. Endlich wird Mercedes seiner sozialen Verantwortung gerecht: Manche Atemnot, manche Kopfgrippe bei nassem Wetter hätte verhindert werden können, wenn das unselige Zweirad nicht wäre. Auch bei Ozonalarm und Abgaswolken schützt die Klimaanlage im Auto wesentlich besser als das Leben vor der Windschutzscheibe.

Zu denken gibt auch eine andere Warnung: Radfahrer und Autos müßten sich oft das Straßenland teilen. Die Autobauern verweisen hier in der Tat auf einen unhaltbaren Zustand: Im Gegensatz zu Stuttgart-Untertürkheim gelten Straßen in Berlin immer noch als öffentlicher Raum – ein Zustand wie im Mittelalter! Nicht nur Radfahrer, auch Inline-Skater, Fußgänger, Kinder und alte Leute treiben sich dort herum. Dauernd werden die Straßen für Demonstrationen, Wochenmärkte oder Feste gesperrt. Und die schwäbische Straßen-Kehrwoch', wo jeder Bürger mit Hingabe ein eigenes Stück Leitplanke wienert, ist durch eine seelenlose, anonyme Straßenreinigung ersetzt worden. Lange genug ist in der Hauptstadt der Lebensraum von Enten, Käfern und Jaguars gnadenlos beschnitten worden. Was fehlt, ist die Liebe zum Asphalt, eine echte Politik der Straße. Mercedes läßt uns darauf hoffen. Bernhard Pötter

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