■ Querspalte: Wie ich BND-Agent wurde
Am Samstag abend habe ich Horst Ehmke kennengelernt. In der Toilette des Literarischen Colloquiums Berlin. Ehmke hatte nachmittags seinen überaus spannenden Kriminalroman „Global Players“ vorgestellt und streifte seither, eine Flasche Wodka unter die rechte Achsel geklemmt, durch die Villa am Wannsee. Jetzt stand er neben mir am Becken. „Und? Was machen Sie hier?“ „Ich pinkle“, antwortete ich leicht verstört: Was will Horst Ehmke von mir? „Was glauben Sie, was mich das gekostet hat, diese Schnapsflasche zu sichern?“, zog er den Wodka hervor: „Wollen Sie einen Schluck?“ Als ich verneinte, setzte er die Flasche an, während es unten aus ihm herauslief. „Sie sind Journalist“, belferte er wieder los. Woher kannte Ehmke mich? Und plötzlich dämmerte es mir: Hatte Ehmke nicht 1970 als sozialdemokratischer Kanzleramtsminister und Geheimdienstkoordinator eine Liste von Journalisten zusammenstellen lassen, die für den BND arbeiteten. Auf der alle großen Branchenkräfte vertreten waren – mit ihren sehr spannenden Decknamen: Marion Gräfin Dönhoff als „Dorothea“, Henri Nannen als „Nebel“, Peter Boenisch als „Bongert“, Gerhard Löwenthal als „Loeben“ und Rüdiger von Wechmar als „Wega“. Vom Bundesnachrichtendienst in drei Agentenkategorien klassifiziert: mit „voll tragfähigen, regelmäßigen oder häufigen Kontakten“ oder „unregelmäßigen Normalkontakten nach Bedarf“ oder „Zufallskontakten“. Aber das war vor 28 Jahren, und dafür war ich zu jung.
„Wie heißen Sie?“ grummelte Ehmke. Ich nannte meinen Namen, und schlagartig war mir klar: Ich sollte auch einen dieser sehr spannenden Decknamen bekommen. Poetisch wie bei der Gräfin? Oder doch die Kraft der BND-Assoziation: „Socke“ oder „Schwanz“? Aber Ehmke war schon zu lange im Geschäft. Bevor er mir mit schwerer Zunge etwas zuraunen konnte, beendete ich den Zufallskontakt. Obwohl ich sehr gern erfahren hätte, wie Horst Ehmke damals Gräfin Dönhoff angeworben hat. Michael „Natter“ Ringel
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