■ Querspalte: Stop making sense
Die goldenen Seventies sind zurückgekehrt. Die „Macher“- Zeiten eines Zähne bleckenden Helmut Schmidt. Und mit ihr die längst vergessen geglaubten Dummvokabeln.
Die zwar damals schon eher die Unfähigkeit der „Macher“ verschleierten, doch jetzt prompt von der Werbung wiederentdeckt werden: „Sinn und Sinnlichkeit“ lautet der neue Daimler-Benz-Slogan. Im Mercedes-Werbespot darf ein Dirigent sein Orchester fertigmachen. Das Rachmaninow einstudiert. Ausgerechnet Rachmaninow! Dieser falsche Vater allen Russische-Säbel-Gegurgels. Dieses Taigablech schmieriger Geigenwälder. Mit dessen aufgesetzter Empfindsamkeit jedes Orchester Probleme bekommen sollte. Und was nörgelt der Pseudodirigent ganz im Schmidtschen Sinne? „Ohne Sinnlichkeit macht es überhaupt keinen Sinn.“ Wenn das Orchester nur spurt, wird selbst die schwiemeligste Musik „sinnlich“; noch dem dicksten Techno-Knüppel von Auto wird eine „Seele“ eingehaucht, so die Werbelogik und -lüge.
Daß mancher Werbeschmock nicht alle Sinne beieinander hat, wissen wir schon lange. Dennoch sei hier nochmals darauf hingewiesen, daß im Deutschen nichts einen Sinn „machen“ kann. Eine Sache hat oder ergibt Sinn; der Sinn mag fehlen, verloren, nicht erfaßt, lediglich geahnt, untergeschoben oder hineingelegt sein. Aber „gemacht“ werden kann ein Sinn nie und nimmer! Auch wenn es noch so pragmatisch amerikanisch klingt: „that makes no sense.“
Seit Gerhard Schröders Wahl zum Bundeskanzler allerdings sind alle Dämme gebrochen. Als Kandidat hatte Schröder zirka 300mal dieselbe Rede gehalten, mit der oft zitierten Kernformel: „Es macht keinen Sinn“ (die alte Regierung im Amt zu belassen etc.). Seitdem wabert das „Sinn machen“ immer dicker durch die öffentliche Sprache. Ach, könnten doch wie im TV-Spot alle Sinnmacher einfach davonrauschen. Aber es ist sinnlos. Sie machen ungerührt weiter. Michael Ringel
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