Querspalte:
Blicke wie Laserstrahlen
Die Berliner Konzertsaison ist inzwischen voll im Gange und das kalte Wetter auch schon da: Kein Wunder also, dass sich nun wieder die „Berufshuster“ warm machen. Berufshuster sind jene Männer – es sind immer Männer, und fast immer über fünfzig (man hört es an ihrem Husten) –, die dafür sorgen, dass jede stille Passage, jeder wichtige „moment musical“, jede, aber auch jede Pause im melodischen Fluss durch brachial-bronchialen Reizhusten gefüllt wird. Wer sind nur diese Leute?
Für alle Besucher mit diesem chronischen Leiden sollte man Huste-Räume einrichten, wie diese alten Schreikammern für Babys in den Kirchen, als man die Messe noch auf Latein las – bevor sie dann demokratisiert wurde, sodass jetzt jedes getaufte Balg sich noch volle vierzig Minuten nach dem letzten Amen die Seele aus dem Leib schreien darf.
Also, wer sind diese alt gewordenen Bälger? Die Hustsheriffs wissen es genau. Die Hustsheriffs sind fast immer Frauen, gewöhnlich über vierzig und gewöhnlich mit Dauerwelle. Diese Frauen kennen die hustenden Männer über fünfzig, denn sie sind mit ihnen verheiratet; sie wissen, dass sie nur husten, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und andere Leute zu ärgern. Sobald ein schauerlicher Husten ertönt, wenden sich mehrere Dauerwellen heftig zu dem Huster um und fixieren den Übeltäter mit Blicken wie Laserstrahlen, sodass man selbst dann gestört wird, wenn man den Husten musikverloren gar nicht bemerkt hatte.
Mein allerliebster Hustsheriff war keine Frau mit einer Dauerwelle. Sie war ein Opern-Fan Anfang der vierzig, groß und schlank mit kultivierten, intelligenten Gesichtszügen und buschigem schwarzen Haar mit grauen Strähnen. Den Mantel hatte sie leger über die Schultern gehängt, als es geschah: In einer mittelmäßigen Inszenierung von Verdis „Othello“ an der Deutschen Oper in Berlin tat sie unablässig ihr winterliches Missvergnügen kund: Sie schüttelte demonstrativ den Kopf und ließ ihre eleganten Hände flattern. Irgendwann im dritten Akt räusperte sich ein älterer Bürger in den Orchestersitzen laut und röchelnd, als wolle er einen riesigen Schleimbatzen emporhusten. Da warf die Hustensheriffin energisch ihre Hände in die Luft und gestikulierte elegant zu dem schauerlichen Geräusch hinüber, als wolle sie sagen: „O Freunde, nicht diese Töne!“ Kevin McAleer
Übersetzung Meino Büning
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