Qualm im Mädchenklo!

■ Das Schullandheim Hepstedt wird 25 / Gute Landluft für Bremer Schüler Innen

Lolita ist acht, in der dritten Klasse und erinnert sich: „Es war mitten in der Nacht, wir waren hier im Wald auf Schatzsuche. Es war so unheimlich, da hat es mir im Magen gekribbelt.“ Hinterher haben ihr Julian links und Till rechts die eiskalten Händchen gehalten. Ramona (11) hat hier vor zwei Jahren erstmals Kühe gesehen. Und Sandra (17): „Die Abende sind geil. Eigentlich muß man um zehn ins Bett, aber manchmal schlafen wir die ganze Nacht nicht. Lehrer ärgern ist geil.“

Schweißfüße und Putzmittel

Treffpunkt Schullandheim Hepstedt, gut dreißig Kilometer nordöstlich von Bremen. Hunderte Kinder, Eltern und Lehrer hatten sich am Samstag hier getroffen, um Geburtstag zu feiern. Das Wilhelm Berger-Schullandheim wird 25.

Schullandheim: Wer's nicht kennt, dem riecht es nach Schweißfüßen und Putzmittel, der vermutet abgewetztes Mobiliar und Massenschlafsäle. Wer's kennt, liebt es. In Bremen kennt man Hepstedt nicht wegen des Ummelbades oder Rugens Landgasthof mit den legendären Schnitzeln, sondern in erster Linie wegen des Landheims — immerhin werden hier alljährlich an die 9.000 Übernachtungen gezählt, immer eine Woche Landleben für Bremer SchülerInnen. Sowas spricht sich ‘rum.

Ein Ort, wo Schule Spaß macht, weil es hier keine Lehrpläne gibt. Die LehrerInnen haben allenfalls, wie Gisela Jenrich von der Grundschule Kirchhuchting zugibt, ihren Sachkundeunterricht im Hinterkopf, wenn die Kleinen kiloweise Steine einsammeln. Ansonsten: Freizeit, Waldspiele, Dorferkundungen, Moorexpedition und nächtliche Schatzsuche. „Losgelöst von der Schule entsteht ein Gemeinschaftsgefühl.“

Bewußt sind die Zimmer nur für sechs Kinder gedacht; jedes Zimmer hat nochmal eine separate Spielnische. Der Zweiflügelbau, mitten in einem Wäldchen neben einem Feuchtbiotop gelegen, ist liebevoll eingerichtet. Ein Spielplatz mit 1.000 alten Autoreifen bietet ungeahnte städtebauliche Möglichkeiten.

Träger der Schullandheime sind Schulvereine oder Elterorganisationen — das merkt man. In Hepstedt sind es der Schulverein Grolland und die Elternvereine der Schule Am Alten Postweg und der Grundschule Buntentorsteinweg. Die Schulen sind hochgradig identifiziert mit ihrem Landheim und engagieren sich ent

Der Förster zeigt den Tann

sprechend. Zum allseitigen Glück trägt bei, daß heute hauptsächlich Grundschulkinder hierherkommen. „So gibt es keine Probleme mit Alkohol oder Sexualität,“ meint Frau Jenrich, 30 Dienstjahre, 25 mal hier in Hepstedt. Das schlimmste Ereignis der letzten 25 Jahre, welches dem Grollander Lehrer Max Rösner (72) einfällt — er war schon beim Richtfest 1966 dabei — war, als einmal Zigarettenqualm aus dem Mädchenklo drang.

Die resolute Seele des Ganzen aber ist Ursula Cizek (50), die mit ihrem Wolfgang seit Anfang '92 das Heim leitet. Einst hatten sie ein FDGB-Jugendhotel mit 30 Mitarbeitern bei Rostock — bis Wiedervereinigung und Treuhand kamen. Der Sturz war tief, aber die Cizeks sagen: „Wer Arbeit will, findet welche.“ Und sei es in Hepstedts Zwergenhotel.

Die Hepstedter selbst kommen mit den wechselnden Kinderscharen zurecht. Der Bäcker freut sich. Die Nachbarn wissen schon Bescheid, wenn eine kleine Horde klingelt: Dorferkundung. Förster Klietsch führt durch den Tann. Nur der Bauer, der immer bereit war, alle Fragen nach der Herkunft der Milch zu beantworten, hat inzwischen seinen Stall zugemacht: Die Kühe wurden immer so unruhig. Burkhard Straßmann