QUERSPALTE: Warum nicht im Zoo ausstellen?
■ Wie der Sozialdemokrat Wolfgang Thierse die Ostdeutschen an Exoten gewöhnen kann
Der Deutsche fremdelt. Wenn er schon in die Ferne geht, soll's wenigstens sein wie zu Hause. Deshalb gibt es in Mallorca Kneipen, die „Bei Gabi“ heißen, und an jeder Ecke Blutwurst aus eigener Schlachtung vom Metzger Sepp Kranbichler, vormals Ampfing, heute Playa del Sur. Und mählich, mählich hat sich der Deutsche daran gewöhnt, daß der Kellner nicht auf den Namen Karl-Heinz hört, sondern auf Gonzalo. Ja, nach und nach hat der Deutsche regelrecht Gefallen daran gefunden und gerufen: „Hey, Gonzo, altes Haus, eine cerveza, aber rapido.“ Und Gonzalo brachte kühles Bier. So also kam es, daß der Deutsche den Ausländer lieben lernte.
Was aber nur für die westlichen Deutschen gilt. Der östliche ward eingemauert ein Leben lang und kannte nur den vietnamesischen Vertragsarbeiter. Davon und überhaupt gab es 200.000 in der DDR. Heute indes strömen die Fremden unkontrolliert und flutartig in die Neuen Länder. (In Brandenburg leben derzeit 29.000 Ausländer, hochgerechnet auf fünf Länder gibt das — ...naja.) Was ein Schock!! Da schlägt dann doch wieder deutsches Fremdeln durch, man haut sie tot oder verbrennt sie. Und weil der Sozialdemokrat Wolfgang Thierse das nicht gut findet, schlägt er vor: a) die Zuweisungsquote für Asylbewerber in den Neuen Ländern zu senken, b) den Menschen im Osten nach und nach an die Begegnung mit Ausländern heranzuführen.
Ganz klar, diese Lösung ist sozialpädagogisch hervorragend und läßt sich aufs Trefflichste mit der ökonomischen Notlage ostdeutscher Zoos kombinieren. Warum nicht einfach einzelne Exemplare dieser Exoten ausstellen, so quasi zum Beschnuppern und Kennenlernen? Arbeitslose Ethnologen könnten im Rahmen eines ABM-Programms den aufklärerischen Part übernehmen und Schilder an die Käfige hängen wie
Angolaner. Vorkommen: südwestliches Afrika. Tragzeit: neun Monate. Ernährt sich hauptsächlich von Hirse und Affenbrotbaum (Baobab)
oder
Roma. Vorsicht: Nicht zu nah ans Gitter treten! Greift nach Brillen, Ohrringen und Handtaschen!
und natürlich
BITTE NICHT FÜTTERN.
Neulich war es nur so, daß Jugendliche nachts in den Ostberliner Tierpark eingestiegen sind und einige Humboldt-Pinguine so lange an die Wand schmissen...ja, es soll nicht sehr schön ausgesehen haben. Trotzdem, man sollte die Idee des Sozialdemokraten Thierse nicht mit gleicher Heftigkeit verwerfen. Herr Thömmes
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